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Berlin: Kaufrausch auf Kosten der Kinder

Wohin mit den Kleinen, wenn die Eltern im Einzelhandel bis in den späten Abend arbeiten müssen? Jedenfalls nicht in die Kita

Insgesamt 70 Prozent der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel sind Frauen, nicht wenige von ihnen haben Kinder. Mögliche Verkaufszeiten bis spät in den Abend oder vielleicht auch rund um die Uhr, wie es das neue Ladenöffnungsgesetz erlaubt, stellen nach Auffassung der Gewerkschaft Verdi etliche Beschäftigte vor die Frage, wie die Kinder künftig betreut werden können. „Das wird ein Problem werden“, sagt Erika Ritter, Einzelhandelsexpertin bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „Die Eltern sind allein gelassen.“ Der Senat habe sich keine flankierenden Maßnahmen für eine weiter gehende Betreuung als bisher überlegt. Zwar sollen nach dem neuen Gesetz in den Abendstunden nach 20 Uhr Eltern, deren Kinder bis zu zwölf Jahre nicht von einer anderen Person im Haushalt betreut werden können, von der Arbeit freigestellt werden. Aber gerade bei den Discountern, die nur mit wenig Personal arbeiten, wolle man sich solche Ausnahmen oft nicht leisten, sagt Ritter. Da werde den Betreffenden schon manchmal nachgelegt, sich zu verabschieden.

Bisher haben die Kindertagesstätten nicht auf die neue Situation reagiert. In den Kita-Eigenbetrieben, in denen seit Anfang des Jahres die städtischen Kitas zusammengefasst sind, überlegt man jedoch, den künftigen Bedarf zu ermitteln und dann eventuell die Öffnungszeiten entsprechend anzupassen. Ähnlich will man auch bei einem der größten freien Träger, der Arbeiterwohlfahrt, vorgehen. Die Senatsjugendverwaltung fühlt sich nicht zuständig, will keine Vorgaben machen und verweist auf die freien Träger sowie die fünf Kita-Eigenbetriebe.

Die Jugendstadträtin von Steglitz-Zehlendorf, Anke Otto (Grüne), hält es auf jeden Fall für wichtig, auf die neue Situation zu reagieren. „Entscheidend ist, was Eltern brauchen“, sagt Otto. Kurzfristig werde es aber keine Änderungen geben können, da verlängerte Öffnungszeiten zugleich mehr Personal erforderten. Auch ihr Reinickendorfer Kollege Peter Senftleben (SPD) hält es für wichtig, nach dem Bedarf der Eltern zu schauen und dann neue Modelle für die Kinderbetreuung zu finden. Bisher bieten die meisten Kitas für die Kinder bis zu fünfeinhalb Jahren Betreuungszeiten von sechs bis 18 Uhr an; in manchen Bezirken gibt es auch in einzelnen Kindertagesstätten eine Spätbetreuung bis circa 20 Uhr.

Beim Kita-Eigenbetrieb City, zuständig für die städtischen Kitas in Mitte und Kreuzberg-Friedrichshain, hält man es im Prinzip nicht für praktikabel, Kinder auch nach 20.30 Uhr in einer Kita zu betreuen. „Aus pädagogischen Gründen würde ich es nicht empfehlen. Kleine Kinder müssen irgendwann ins Bett“, sagt Klaus-Harald Straub, pädagogischer Leiter des Kitabetriebs. Derzeit gebe es etwa in der Kreuzberger Baerwaldstraße eine Kita mit einer Spätbetreuung bis 20.30 Uhr, die von gut einem Dutzend Kinder genutzt wird. Bei weiter gehendem Betreuungsbedarf plädiert Straub für die ergänzende Tagespflege, bei der Tagesmütter eingesetzt werden. Nach Angaben des Jugendstadtrats von Mitte, Jens-Peter Heuer (PDS), gibt es diese Möglichkeit schon jetzt. Sie werde aber nur in Einzelfällen in Anspruch genommen.

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