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Berlin: Kehraus im Gehege: Der kranke Waschbär darf bleiben

"Ärzte haben festgestellt, dass erholungssuchende Menschen durch das Beobachten von Vögeln heilsam von ihren eigenen Beschwerden und Sorgen abgelenkt werden", ist auf einem Schild im Tiergehege im Kreuzberger Viktoriapark zu lesen. Doch mit diesem menschenfreundlichen Ansinnen wird es vermutlich bald vorbei sein.

"Ärzte haben festgestellt, dass erholungssuchende Menschen durch das Beobachten von Vögeln heilsam von ihren eigenen Beschwerden und Sorgen abgelenkt werden", ist auf einem Schild im Tiergehege im Kreuzberger Viktoriapark zu lesen. Doch mit diesem menschenfreundlichen Ansinnen wird es vermutlich bald vorbei sein.

Der grüne Baustadtrat Franz Schulz will den Tierbestand deutlich reduzieren. Die Vögel sollen weg, Meerschweinchen und Karnickel ebenfalls. Nur die Ziegen und der Waschbär werden bleiben. "Die Ziegen sind die eigentliche Attraktion im Gehege", meint Schulz. Und der Waschbär hat Krebs. Deshalb soll er sich nicht mehr an eine neue Umgebung gewöhnen müssen. Der Bezirk könne sich die Tierhaltung im Park nicht mehr leisten. Durch die vom neuen Senat festgelegten Haushaltskürzungen müssen in der Berliner Verwaltung insgesamt 2000 Stellen gestrichen werden, mindestens ein Drittel davon in den Bezirken. "Für uns bedeutet das einen gewaltigen Einschnitt, von dem keine Abteilung verschont bleibt", meint Schulz. Auch nicht das Grünflächenamt. Schon jetzt liegt hier einiges im Argen. Von den insgesamt 120 Beschäftigten sind 100 ABM-Kräfte. "Und die kommen mit der Arbeit nicht nach. Es gibt gewaltige Kritik von Anwohnern darüber wie es in unseren Parks aussieht."

Aufgrund der knappen Kassen stünde das Tiergehege in Konkurrenz mit den Kinderbauernhöfen im Bezirk. Diese Konzepte seien sinnvoller als so ein Schaugehege, meint der grüne Baustadtrat. Dort könnten pädagogische und tierpflegerische Aufgaben miteinander verbunden werden. Einen Rettungsversuch für Tiergehege gibt es dennoch. Eine Anwohnerin engagiere sich stark für die Erhaltung. Sie will auf der nächsten Sitzung des Umwelt- und Verkehrs-Ausschusses ein Konzept vorstellen, wie die Tiere durch privates Engagement gefüttert werden könnten. "Wenn das Konzept schlüssig ist, bin ich für diesen Vorschlag offen", sagt Schulz. Bis dahin die Auflösung des Geheges aufgeschoben. Wenn die Anwohnerin nicht überzeugen kann, sollen die Tiere aber nicht im Kochtopf landen, wie dies im vergangenen Jahr zu Weihnachten geschehen ist. Schulz will sie an Landschaftsparks abgeben. Dort seien sie auch artgerechter untergebracht, als in den engen Käfigen im Viktoriapark.

In dem Gehege leben seit 1953 insgesamt siebzig Tiere: Ziegen, Gänse, Fasane, Perlhühner, Tauben, Meerschweinchen, Sittiche, Papageien, Zebrafinken und der an Krebs erkrankte Waschbär. Im Dezember 2001 wurde eine in der Geschichte des Berliner Kleintiergehes einmalige Dienstanweisung bekannt: Man soll, hieß es aus dem Natur- und Grünflächenamt, einige Tiere aus dem Gehege im Viktoriapark an der Kreuzbergstraße nehmen und nach Belieben mit ihnen verfahren. Einer von zwei Tierpflegern erfüllte gern die kurz vor Weihnachten erfolgte Weisung: Er nahm zwei Gänse und vier Enten und verteilte sie an Bezirksamtsmitarbeiter - als Weihnachtsbraten. Sieben Hühner waren schon vorher auf ähnliche Art verschwunden. "Das ist so passiert", gab Baustadtrat (Bündnis 90/Grüne) zu, "es hat ein Schlachtefest gegeben." Warum Tiere verschenkt wurden, konnte Schulz nicht erklären. Das Natur- und Grünflächenamt habe schon seit einigen Jahren die Anweisung, den Bestand konstant zu halten.

Der Viktoriapark entstand in den Jahren 1888 bis 1994 nach Plänen von Stadtgartendirektor Hermann Mächtig auf dem 66 Meter hohen Kreuzberg, der nach der Bildung Groß-Berlins im Jahre 1920 dem Bezirk seinen Namen gab.

Harald Olkus

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