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Berlin: Kehraus in der guten Stube

Von Katja Füchsel Der Countdown läuft, die Spannung steigt – und der Polizei gehen die passenden Leinen aus. Gerade am Pariser Platz, wo am Abend der amerikanische Präsident übers Pflaster schreiten wird, flattert jetzt eine Notlösung im Wind.

Von Katja Füchsel

Der Countdown läuft, die Spannung steigt – und der Polizei gehen die passenden Leinen aus. Gerade am Pariser Platz, wo am Abend der amerikanische Präsident übers Pflaster schreiten wird, flattert jetzt eine Notlösung im Wind. „Halt, Polizei! Tatort nicht betreten!“, steht auf dem rot-weißen Plastikband rund um das Blumenbeet. Touristen kichern. „Kann der Bush eigentlich Deutsch?“

Kehraus in der guten Stube der Nation. Schon mittags sind die Touristen auf dem Pariser Platz in der Minderheit. Vor dem Hotel Adlon knistern die Funkgeräte der Polizisten, daneben bauen sich Fotografen und Kameramänner auf. Den Weg über den roten Teppich in die sonst jedem offene Hotellobby versperren jetzt zwei Herren. Ernste Gesichter, dunkle Anzüge, die Hände vor dem Oberkörper verschränkt. Es hilft kein Bitten und kein Betteln, nur ein buntes Plastikkärtchen, die „Zugangsberechtigung“. „Mehr kann ich Ihnen nicht sagen“, beendet der Mann den ohnehin einseitigen Dialog.

Eine dreiköpfige Familie verfolgt das Geschehen mit angehaltenem Atem. „Das sieht hier schon anders aus als bei uns in Baden-Baden“, sagt der Vater. Hier ein Foto, da ein Foto, dann zieht er seinen Anhang weiter: Vor dem Brandenburger Tor versiegeln gerade die Männer vom Bundesgrenzschutz die letzten Gullydeckel mit einem rosafarbenen Papierstreifen.

Derweil bleiben vier Jugendliche im Schatten sitzen. Sie ruhen sich lässig auf dem Asphalt aus, angelehnt an die Gitter der S-Bahnstation. „Was für’n Auftrieb“, seufzt ein Junge. Derweil kurvt ein Fahrradfahrer mit nacktem tätowierten Oberkörper über den Bürgersteig. „Es lohnt nicht zu warten!“, ruft der Bärtige. „Nachher wird sowieso alles abgesperrt!“ Aber schon Stunden, bevor die Polizei vor dem Pariser Platz am Nachmittag ihre Kontrollen errichtet, wirkt der Platz gut durchgefegt. Die Würstchenbude ist verschwunden, die Tische vorm Hotel Adlon sind verwaist und die Stühle mit einer Eisenkette festgebunden. Es ist wie ein Heiligabend im Hochsommer, sagt einer, der um die Ecke in der Behrenstraße wohnt. „Es wird stiller und stiller.“

Nur bei „Theodor Tucher“ gehen Männer in roten Overalls ein und aus. Vor dem Restaurant, wo am Abend Präsident George W. Bush, Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit erwartet werden, verfolgt ein Dutzend Gäste die letzten Vorbereitungen: Eine Bühne für die Presse kommt in den Lichthof, eine andere vor den Eingang. Techniker montieren Scheinwerfer, der Hausmeister putzt das Eisentor. Alle Zeichen stehen auf Bush, doch der Geschäftsführer bleibt skeptisch, obwohl als Geschenk eine Lederhose schon bereitliegt. „Ich glaub’s erst, wenn der Präsident tatsächlich durch die Tür tritt“, sagt Deff Haupt. Rund 100 Leute sind angemeldet, ein Experte aus dem Weißen Haus will in der Küche ein wachsames Auge auf die Speisen werfen.

Einer vermag die mittagliche Stille nicht zu genießen: Amerika-Liebhaber Gerhard Lindner, vom Hemd bis zum Wickelrock in Stars and Stripes gewandet, hat schlechte Laune. „Ich bin hier mein einziger Kunde“, schimpft der Mann zwischen Postkarten im „Tourist Point“. „Immer, wenn hoher Besuch nach Berlin kommt, sind wir die Leidtragenden“, sagt Lindner, Kioskbesitzer und Sprecher der Händler am Platz. Wweshalb steht er heute trotzdem hier? „Aus Protest!“

Am Nachmittag ist es soweit: Polizisten rücken Absperrgitter zurecht, Beamte nehmen Aufstellung. Jetzt kommt nur noch durch, wer registriert ist und sich ausweisen kann: die Gäste vom Adlon und Tucher, die Anwohner, die Bauarbeiter, die Büromenschen und die Angestellten der Dresdner Bank. „Die komplette Besatzung ist an Bord“, sagt Pressesprecher Tobias Scharch. Vornehme Stille herrscht im Atrium, in das durch ein Glasdach Tageslicht fällt. Davon, dass jemand am Mittwoch länger bleiben will, um einen Blick auf Bush zu erhaschen, hat Scharch noch nichts gehört. Kein Wunder. „Fast alle unserer Büros gehen nach innen.“

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