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Nach dem Keim-Alarm an der Charité diskutieren Politiker und Experten über die Hygiene an Kliniken.

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Update

Keim-Alarm in Berlin: Keimbefall in Charité: Weiteres Kind in Lebensgefahr

Die Verbreitung von Keimen in der Frühchenstation der Charité bleibt rätselhaft. Ein Baby ist gestorben, ein weiteres schwebt nun in Lebensgefahr. Experten äußern massive Kritik an den verantwortlichen Ärzten. Doch der Senat will sich nicht einmischen.

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Nach dem Tod eines mit Keimen infizierten Babys und der Erkrankung von sieben Kindern in der Charité wächst die Kritik an der Klinikhygiene. Die sieben erkrankten Kinder leiden beziehungsweise litten unter anderem an Lungenentzündung, Gehirnhautentzündung und Harnwegsinfekten, wie Charité-Sprecherin Stefanie Winde bereits am Sonnabend sagte. Einigen Kindern geht es bereits besser, ein Baby aber schwebt nun nach einem Fieberschub in Lebensgefahr.

Der Chef der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, Klaus-Dieter Zastrow, widersprach am Sonntag der Darstellung, ein solcher Keimbefall lasse sich nicht verhindern. Solche Keime flögen nicht durch die Luft, sie würden durch Menschen übertragen. In zahlreichen Kliniken hielten sich die Ärzte und Schwestern nicht an grundlegende Hygienestandards. Personal- und Zeitnot machten die Lage nicht besser.

Zastrow kritisierte auch die seiner Ansicht nach widersprüchlichen Angaben über den Ablauf der Ereignisse. So habe zunächst niemand von erkrankten Kindern gesprochen. Bei den meisten Frühchen seien die Keime nur auf der Haut festgestellt worden, ohne dass sie erkrankten – man spricht in solchen Fällen von Besiedlung oder Befall. Bei den sieben erkrankten Kindern sei der Keim aber in den Darm, die Lunge oder ins Blut gelangt. Auch das sei auf einer Frühchenstation, in der auf strengste Hygiene geachtet werden müsse, nicht normal.

Unklarheiten gibt es indes auch in der Informationspolitik. Die Uniklinik Charité hatte wohl am 8. Oktober wie vorgeschrieben das Gesundheitsamt Mitte informiert, das mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) weitere Schritte beraten hat. Doch bekannt gemacht wurde der Vorfall erst am Wochenende; wann genau das Baby gestorben ist, ist unklar. Von Gesundheitsexperten und Verwaltungsmitarbeitern hieß es, das Schließen einer Krankenstation sei nur der letzte Schritt. Eine so zentrale, öffentliche Klinik wie die Charité habe „einen besonderen Versorgungsauftrag“. Zudem gelte es, Panik zu vermeiden, viele Keime könnten effizient bekämpft werden, ohne dass man Stationen schließen müsse.

Die von den Ämtern in Absprache mit den Charité-Experten vereinbarten Maßnahmen haben aber offenbar nicht ausgereicht – im Gegenteil: Bis zum Wochenende war von 22 Neugeborenen die Rede, bei denen Keime gefunden wurden: Die Charité teilte am Sonntag mit, man habe nach wie vor sieben Patienten mit einer Infektion und weitere 15 Patienten mit einem oberflächlichen Keimnachweis ohne Erkrankung gezählt. Sechs Kinder seien in stabilem Zustand.

In den vergangenen Tagen waren umfangreiche Schutzmaßnahmen eingeleitet worden. Dazu gehörte nach Charité-Angaben eine Teilung der beiden betroffenen Stationen nach infizierten und nicht infizierten Patienten, denen verschiedene Schwestern und Pfleger zugeordnet wurden. Am Freitag hatte es wie berichtet ein Treffen von Charité-Verantwortlichen, Amtsärzten und Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) gegeben. Der Senator lässt sich nun täglich einen Lagebericht zukommen. Politisch ist Czaja nicht für die landeseigene Charité zuständig. Als Universitätsklinik untersteht sie Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Ein Sprecher sagte, dass sich die Senatorin als Aufsichtsratsvorsitzende nicht in das Alltagsgeschäft der Klinik einmische. Zunächst seien die Gesundheitsämter der Bezirke zuständig, dann das Lageso. Es sei rechtlich und fachlich unsinnig, wenn sich Politiker in die Entscheidungen der verantwortlichen Mediziner einmischten. Den genauen Ablauf der Ereignisse will die Opposition im Abgeordnetenhaus klären lassen. Erste Probleme mit Serratien-Keimen hatte es an der Charité bereits im Juli gegeben. Damals habe möglicherweise eine infizierte Mutter das Darmbakterium an ihr Baby weitergegeben. Auch Besucher tragen viele Keime in Kliniken.

Sonntagabend wurde bekannt, dass Charité, Robert-Koch-Institut und Verbraucherschutzbehörde einer Spur nachgehen. Nach Tagesspiegel-Informationen riefen jüngst zwei Drogerieketten zwei Babypflegebäder wegen Serratien-Verkeimung zurück. „Das ist eine auffällige Koinzidenz, es wird seit Mittag geprüft, ob die Keime den gleichen Genotyp haben“, sagte Charité–Sprecherin Stefanie Winde auf Anfrage. Die Klinik bezieht ihre Produkte nicht bei den Drogeriemärkten; es ist offen, ob es womöglich identische Abfüllstationen von Produkten gibt.

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