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Berlin: Kein Brandschutz für den Dinosaurier

Einzigartige Sammlung in Gefahr – das Naturkundemuseum ist nur unzureichend gegen Feuer gesichert

Dicht hinter einem ausgestopften Emu und einem Zebra hinter Glas ist neben den öffentlichen Ausstellungsräumen einer dieser offenen Schächte deutlich zu sehen. Sie gehören zur alten Warmluftheizung, auf die man bei der Eröffnung des Hauses 1889 so stolz war. Sie durchziehen das ganze Gebäude. Und sie müssten dringend abgeschottet werden. Denn bei einem Feuer wirken sie wie Kamine, die gefährlichen Rauch durchs Gebäude schleusen. Mit der Brandsicherheit des Museums für Naturkunde an der Invalidenstraße 43 steht es nicht zum Besten.

Die hohen Fenster zur Saurierhalle, Schmuckstück des Hauses, sind nicht splitterfest, werden erst 2005 erneuert und feuersicheres Glas erhalten. Das ist nach Ansicht des Museums dringend geboten: Hinter den Scheiben im ersten Stock lagern zehntausende Sammlungsstücke, in Alkohol eingelegt. Bei höheren Temperaturen (eine Klimaanlage gibt es nicht) liegt schwerer Dunst im Saal. „Wenn es brennt, wissen wir nicht, was passiert“, sagt Verwaltungsleiter Holger Hackmann. Nach dem Brand in der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek machen sich die Verantwortlichen des baulich maroden Museums noch größere Sorgen. „Ein effektiver Brandschutz ist nur mit einer Generalsanierung machbar“, betonen Hackmann und sein Brandschutzbeauftragter Christoph Plappert. „Es gibt Bestandsschutz für den Altbau.“

Wann es die fällige Groß-Sanierung geben wird, ist aber ungewiss. Wenigstens 17,7 Millionen Euro sind aus EU- und Lottomitteln zugesagt, mit denen (nach neuesten Brandschutzrichtlinien) die Ausstellungsräume im Erdgeschoss saniert, modernisiert und von 6000 auf 6900 Quadratmeter vergrößert werden sollen. Deshalb wird auch die Saurierhalle, ein Zehntel der bisherigen Ausstellungsfläche, im Frühjahr bis voraussichtlich Mitte 2007 gesperrt.

Über die größeren Bauschäden des alten Museums wird seit langem diskutiert, die Sanierungskosten mit Ruinenaufbau im Ostflügel wurden schon vor zehn Jahren auf mehr als 120 Millionen Euro geschätzt. Der Brandschutz des Gebäudes geriet dabei fast in Vergessenheit. „Für die Besucher besteht keine Gefahr“, versichern Hackmann und Plappert, weisen auf regelmäßige Kontrollgänge, die vielen Feuerlöscher und die Brandschutzzentrale hin. Aber der Großteil des Hauses mit der einzigartigen Sammlung von 25 Millionen Objekten, mit Arbeitsräumen und Hörsälen für Biologiestudenten, ist nach heutigem Stand unzureichend geschützt. Ein aktuelles Brandschutzgutachten muss noch ausgewertet werden. Ein großer Hörsaal ist bereits vorsorglich geschlossen worden, weil der zweite Fluchtweg fehlt. Nur bei neuen Sanierungsarbeiten („Bestandsschutz“) sind die aktuellen Brandschutzbestimmungen Vorschrift. Notausgänge müssten offen sein, sind oft „aus Sicherheitsgründen“ geschlossen. Mitarbeiter halten sich mit einem Schlüssel in der Nähe auf. „Ein hoher Aufwand“, sagt Hackmann. Das Problem hätten viele Museen.

Die Fluchtwege führen durch lange Gänge, etwa an den Vogel-, Eier- oder Nestersammlungen vorbei. Weil dem Haus Abstellmöglichkeiten fehlen, stehen oft Vitrinen und Schränke im Weg. Es fehlen Feuerschutztüren, weil deren Einbau angesichts der bröckligen Mauern ringsum ohnehin fraglich erscheint.

Eine Sprinkleranlage gibt es nicht, und von einer modernen Gas-Brandschutzanlage wie beim Herbarium im Botanischen Garten können Hackmann und Plappert nur träumen. Über bauliche Veränderungen wacht außerdem der Denkmalschutz, Hackmann spricht von „konstruktiven Gesprächen“. Wie viel Geld allein ein zeitgemäßer Brandschutz für das gesamte Museum für Naturkunde kosten würde, ist bislang nicht ermittelt.

Sicher aber ist, dass die 300 000 Euro, die das Museum bislang in seiner Patenschaftskampagne eingenommen hat, in die dringend nötige Sicherung der Sammlungen gesteckt wird. Das Haus spürt verstärktes öffentliches Interesse an seinen einzigartigen Sammlungen, freut sich über 250 000 Besucher im Jahr. Und erwartet, dass zumindest die anstehende „kleine Sanierung“ in dann auch erweiterten Ausstellungsflächen einen zeitgemäßen Brandschutz garantiert. Auch für das Emu und das Zebra hinter Glas, die bislang noch hinter dem offenen Heizungsschacht den öffentlichen Blicken verborgen sind.

Christian van Lessen

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