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Berlin: Kein Geld für die Vergangenheit: DDR-Opferverbände vor dem Aus

AB-Maßnahmen werden nicht verlängert / Stasi-Beauftragter sucht NotfinanzierungVON LARS VON TÖRNE BERLIN.Werden Besucher des Stasi-Museums in der Normannenstraße bald vor verschlossenen Türen stehen, weil niemand mehr dort arbeitet, der sie durch die ehemalige MfS-Zentrale führen kann?

AB-Maßnahmen werden nicht verlängert / Stasi-Beauftragter sucht NotfinanzierungVON LARS VON TÖRNE BERLIN.Werden Besucher des Stasi-Museums in der Normannenstraße bald vor verschlossenen Türen stehen, weil niemand mehr dort arbeitet, der sie durch die ehemalige MfS-Zentrale führen kann? Müssen Wissenschaftler auf die Erforschung der Dokumente im Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft verzichten, weil es an Archivarinnen fehlt? Angesichts auslaufender Beschäftigungsmaßnahmen sehen vier bekannte DDR-Aufarbeitungs- und Opferverbände ihre Arbeit gefährdet. In den kommenden Monaten laufen in den Berliner Einrichtungen elf Stellen aus, die bisher mit Mitteln der Arbeitsämter und des Stasi-Landesbeauftragten gefördert wurden.Ob und wie es danach weitergeht, ist offen."Es herrscht eine riesengroße Unsicherheit bei den betroffenen Verbänden", sagt Wolfgang Kusior, Sprecher des Stasi-Landesbeauftragten Martin Gutzeit.Die Ursache der aktuellen Krise sieht Kusior darin, daß die Arbeit der Verbände von Anfang an nahezu ausschließlich auf ABM-Maßnahmen beruht habe - "und die laufen eben einfach irgendwann aus".Die Gelder der Bundesanstalt für Arbeit für ABM-Stellen in diesem Bereich seien in den vergangenen Jahren um über achtzig Prozent gekürzt worden, so Wolfgang Kusior.Statt der 1,4 Millionen Mark, die es noch 1995 gegeben habe, stehen für das kommende Jahr nur noch 230 000 Mark zur Vefügung.Eine Aufstockung des Etats des Berliner Landesbeauftragten für 1998 um 370 000 Mark zum Ausgleich der fehlenden ABM-Mittel hatte das Abgeordnetenhaus abgelehnt, lediglich 70 000 Mark seien bewilligt worden.Bestimmte Angebote fallen nun weg. Eine der betroffenen Einrichtungen ist der Verein ASTAK (Antistalinistische Aktion), dessen fünf Mitarbeiter im vergangenen Jahr rund 67 000 Besucher durch das Museum in der ehemaligen Stasi-Zentrale in der Normannenstraße geführt haben.Im April 1998 laufen die Stellen aus.Bereits 1994 waren acht von 13 ABM-Stellen eingespart worden.Laut Lutz Papke, Koordinator des Projektes, sind fünf Mitarbeiter "das absolute Minimum, um das Haus offen zu halten.Wenn sich keine andere Finanzierung der Stellen findet, können wir im April dichtmachen." Mit ehrenamtlicher Arbeit sei ein täglicher Betrieb nicht mehr machbar. Die Hilfsorganisation für die Opfer politischer Gewalt in Europa, Help, sieht die von ihr betriebene Bibliothek mit 60 000 Büchern aus Stasi-Gefängnissen in Gefahr, wenn die zwei ABM-Stellen des Vereins zum Februar 1998 auslaufen.Beim Beratungsverein Bund Stalinistisch Verfolgter wird eine von vier ABM-Stellen nicht mehr verlängert, was nach Auskunft von Projektleiterin Rita Alliger die Einstellung des Mitteilungsblattes von zwanzig Opferverbänden, "Stacheldraht", zur Folge haben werde. Im umfangreichen Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft, das vor allem von Forschern und Journalisten genutzt wird, fallen bis März 1998 zwei von fünf geförderten Stellen weg."Wenn wir für die wegfallenden Archivstellen keinen Ersatz finden, können wir den Laden schließen", sagt Geschäftsführer Andreas Otto, der in den Kürzungen einen politischen Trend sieht: "Die Situation ist ein Indiz dafür, welche Stellung die Aufarbeitung der DDR-Geschichte heute hat." Gutzeit -Sprecher Wolfgang Kusior kündigte an, per Notfinanzierung zumindest einen Teil der auslaufenden Stellen auf befristete Zeit unterstützen zu wollen.Dabei sei wichtig, den öffentlichen Nutzen zu bewerten.Kusior: "Wir müssen fragen, welche Projekte im Interesse des Landes liegen." Mit Blick auf die Bibliothek des Vereins Help sagt er: "Die Beratung von Opfern hat eine höhere Priorität als die Verwahrung von Büchern."

LARS VON TÖRNE

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