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Berlin: Kein Geld für Gottes Wort

Der Senat will Millionen beim Religionsunterricht einsparen. Das führt zu einer Austrocknung besonders in den Problemkiezen, sagen die Kirchen. Die CDU fürchtet die Spaltung der Stadt.

Nach dem 11. September war viel die Rede davon, dass das Christentum gestärkt werden müsse. Das galt wohl nicht für Berlin, nicht für den rot-roten Senat. Der kürzt kontinuierlich jedes Jahr die Zuwendungen für den Religionsunterricht. Der Entwurf für den neuen Haushalt sieht eine erneute Senkung der Mittel vor: Die Kirchen sollen für den Religionsunterricht dieses Jahr zwei Millionen Euro weniger bekommen, nächstes Jahr fünf Millionen Euro weniger. Die Kirchen sind alarmiert, zumal die Protestanten vergangenes Jahr bereits eine Klage gegen die Kürzungen eingereicht haben, weil sie ihrer Meinung nach gegen Verträge zwischen dem Land Berlin und der Kirche verstoßen. Die Kulturverwaltung, die im Senat für den Religionsunterricht zuständig ist, will die Kürzungspläne nicht bestätigen. Es müsse zuerst einen Senatsbeschluss geben, sagt deren Sprecher Torsten Wöhlert. Der Haushalt soll im März beschlossen werden.

Eine erneute Kürzung der staatlichen Gelder werde zur „Austrocknung des Religionsunterrichts in Berlin führen“, sagt Steffen-Rainer Schultz, der bei der Evangelischen Kirche für den Religionsunterricht zuständig ist. Er kennt die Sparpläne. Vor allem im Ostteil der Stadt und in den Problemkiezen in Kreuzberg, Wedding und Neukölln könne dann wohl kein Unterricht mehr stattfinden. Sein Kollege von der Katholischen Kirche, Schulrat Klaus Sieber, stimmt ihm zu. Schultz weiß noch von weit reichenderen Planungen. „Auch 2006 und 2007 will der Senat jeweils fünf Millionen Euro einsparen“, sagt Schultz, „das wären in den kommenden vier Jahren 17 Millionen Euro.

„Verantwortungslos“ sei das. Im Religionsunterricht werde Kindern eine Grundortierung und eine Werteskala vermittelt, die ihnen helfe „Religionen als Chancen und Gefahren“ zu erkennen und keinen Scharlatanen aufzusitzen.

2003 hat der Senat 50 Millionen Euro für den Religionsunterricht ausgegeben. Davon gingen 31,8 Millionen Euro an die Protestanten, 8,3 Millionen Euro an die Katholiken. Den Rest teilten sich der Humanistische Verband, die Jüdische Gemeinde und muslimische Gruppierungen. „Wir können die wegfallenden Landesmittel nicht auffangen“, sagen Schultz und Siebert. Die Kirchen haben selbst kein Geld. Das Erzbistum muss einen riesigen Schuldenberg abbauen.

Das Land zahlt den Zuschuss für einen Lehrer pro 15 Schüler, die Pläne des Senats sehen nun 20 Schüler pro Lehrer vor. Zurzeit unterrichten 750 protestantische Religionslehrer und 300 katholische. Viele Lehrer gerade in Ostberlin sind aber nicht nur für eine Gruppe zuständig, sondern für mehrere, weil die Gruppen kleiner sind. Wenn künftig weniger Lehrer bezahlt werden können, wird der Unterricht für die kleineren Gruppen wegfallen, fürchten die Schulexperten. Das sei besonders bedauerlich, sagt Schultz, weil der Anteil der Schüler, die am Religionsunterricht teilnehmen, im vergangenen Jahr gestiegen ist: von 25,4 auf 25,9 Prozent.

„Die Muslime werden Geld für ihren Religionsunterricht finden“, sagt CDU-Bildungsexperte Andreas Apelt. Er fürchtet, dass die Kürzungen die Stadt weiter spalten. CDU und FDP lehnen die Kürzungen ab. „Es kann nicht sein, dass der Kirche still und leise der Hahn zugedreht wird“, sagt Mieke Senftleben von den Liberalen. „Dass wir etwas austrocknen, diesen Vorwurf kann man uns flächendeckend machen“, sagt der Sprecher der Kulturverwaltung, „die Studenten, die Orchester, die Theater“. Dass die von Kürzungen Betroffenen aufschreien, ist für diesen Senat nichts Besonderes mehr.

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