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Berlin: Keine Angst vorm freien Fall

Berliner stehen beim Bungee-Springen in Tegel Schlange – auch nach der Dortmunder Tragödie

„3 2- 1 ab“. Zeitsoldat Alan Dombrowsky ist keiner, der viele Worte verliert und keiner, der lange zögert. Kaum hat der Kran die Gondel mit dem 18-Jährigen auf dem Tegeler Sommerfest in die Höhe gezogen, stürzt sich Dombrowsky an einem Bungeeseil in die Tiefe. Mit auseinandergebreiteten Armen lässt er sich fallen – bis das Seil ihn wieder nach oben reißt und er sich um seine eigene Achse dreht. Dombrowsky ballt triumphierend die Fäuste. „Geil“, brüllt er, seine Kumpels nicken anerkennend. Angst? „Nee“, sagt Dombrowsky mit vom Sturzflug geröteten Augen. Dass ein 31-Jähriger Ende Juli in Dortmund bei einem solchen Sprung sein Leben verlor, schreckt ihn nicht ab. „Autofahren ist gefährlicher“, sagt er.

Dombrowsky ist der erste, der am Freitagabend in die Gondel der „Bungee Sports GmbH“ steigt. Vier weitere Springer warten bereits, als er sich aus seinem Gurt schält. Ein gutes Geschäft für Bungee Sports-Chef Torsten Kempf. Der Unfall in Dortmund, sagt er, habe bislang noch niemanden von einem Sprung abgehalten. „Das ist eben das Risiko“, sagt ein junger Türke, der auf seinen Sprung wartet. Seine Freunde grinsen. Sie haben nicht einmal von dem Unglück gehört.

Kempf will keine Häme über seinen Konkurrenten ausschütten, eine leise Kritik hat der 40-Jährige Charlottenburger, der als einziger in Berlin Bungee-Sprünge anbietet, gleichwohl schon. Anders als bei dem Veranstalter im Ruhrpott hätten seine Seile eine zweite Sicherheitsleine. Für den Fall, dass sich das Hauptseil überdehnt und zu reißen droht. Das ist in Deutschland bislang nicht vorgeschrieben und nur in den USA üblich. Doch Kempf hält die zweite Leine für sinnvoll. Der Dekra-Sachverständige Jürgen Schwanz auch. „Mit einem solchen Reiß- und Überdehnschutz wäre der Unfall in Dortmund nicht passiert“, sagt er. Der 51-Jährige hat die Anlage von Kempf überprüft. Die Stützen des Krans, die Wicklung des Seils, die Aufhängung des Bungee-Korbs und eben auch den Zustand des Seils. Allerdings – das gibt Schwanz zu – seien nicht alle Seilschäden mit dem bloßen Auge zu erkennen. „Vor Schäden durch Materialermüdung schützt allein die Zulassungsbeschränkung auf 200 Sprünge“, er. Die Veranstalter führen über jeden Sprung Buch. Schwanz zählt nach.

In Dortmund jedoch half dieses Limit nichts. Das Seil riss schon beim 102. Sprung. Warum, das sei noch immer unklar, sagt der Dortmunder Veranstalter Jochen Schweizer. Zwar gebe es erste Erkenntnisse, doch Schweizer will darüber nicht spekulieren. Er glaubt, dass eine zweite Leine nicht mehr Sicherheit gebracht hätte. „Auch der Tüv hält das nicht für erforderlich“, sagt er. „Mein Seil ist weltweiter Standard.“ frh

Die Bungeeanlage an der Greenwichpromenade ist am Samstag von 13 bis 23 Uhr und am Sonntag von 13 bis 18 Uhr geöffnet

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