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Berlin: Keine Frage des guten Geschmacks

Grüne Woche von unten: Ein Film zeigt die Folgen der Globalisierung in der Nahrungsmittelbranche

Ein grüner Schleier scheint über der ganzen Stadt zu liegen: Nicht nur am Funkturm bietet die Ernährungsindustrie dieser Tage Gesprächsstoff, auch jenseits des Messegeländes wird über die Welt des Essens diskutiert. So etwa im Delphi-Kino, wo die ehemalige Bundesministerin für Verbraucherschutz Renate Künast einen globalisierungskritischen Film des Österreichers Erwin Wagenhofer vorstellte. „We Feed the World“ heißt das Werk, das in Österreich mit 130 000 Zuschauern bereits zum meistgesehenen Dokumentarfilm aller Zeiten avancierte – und bei uns am 27. April anläuft.

Wagenhofer ist ein gründlicher Mensch, der nicht vor langen Wegen zurückschreckt: Von Frankreich über Spanien, Rumänien und Brasilien bis zurück nach Österreich führten den Regisseur seine Recherchen zur internationalen Ernährungsindustrie. Dabei hat der 44-Jährige Erstaunliches zusammengetragen: etwa, dass in Wien täglich so viel Brot vernichtet wird, wie in Graz gegessen wird. Dass der Splitt, mit dem österreichische Bauern im Winter ihre Feldwege streuen, mehr kostet als der Weizen, den sie produzieren. Dass in Südspanien die Wasserreserven knapp werden, weil die dortigen Treibhäuser inzwischen halb Europa mit Tomaten versorgen. Und dass Produzenten von Nahrungsmitteln den Geschmack als nachrangiges Kriterium bezeichnen.

Wagenhofer enthält sich dabei weitgehend eigener Kommentare – und lässt stattdessen Menschen zu Wort kommen, die auf unterschiedlichste Weise ins Weltgeflecht der Ernährungsindustrie verstrickt sind: brasilianische Bauern, spanische Fernfahrer, französische Fischer, Schweizer Konzernlenker. Und nicht zuletzt den UN-Ernährungsbeauftragten Jean Ziegler, von dem der vielleicht schockierendste Satz des ganzen Films stammt: „Die Weltlandwirtschaft könnte ohne Probleme zwölf Milliarden Menschen ernähren. Das heißt: Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet.“

Um es bei derlei deprimierenden Erkenntnissen nicht zu belassen, stellte Künast nach dem Film eine Reihe von Menschen vor, die den Abirrungen der Nahrungsindustrie Positives entgegenzusetzen haben. Zu Wort kamen dabei der Brandenburger Biobäcker Joachim Weckmann („Märkisches Landbrot“), die alternativen Saatzüchter Wim Brus und Petra Boie, der Berliner Fair-Trade-Experte Volkmar Lübke und der rumänische Manager Dragos Dima. Besonders letzterer erntete mit seiner Lebensgeschichte Beifall: Dima hatte jahrelang die Rumänien-Geschäfte des US-Agrarkonzerns Monsanto geleitet – und schmiss seinen Job, als die Firma in Rumänien Gen-Food produzieren wollte.

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