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Berlin: Keine Frage des Vertrauens

Sollen Einbürgerungswillige mit einem Test überprüft werden? Pro und Contra

Für die einen ist es der Gipfel der Diskriminierung, für andere ein legitimes Mittel, um herauszufinden, was potenzielle Neubürger denken. Der „Muslimtest“, der Fragebogen, mit dem baden-württembergische Einbürgerungsbehörden erkunden wollen, wie Muslime zum Beispiel zur Gleichstellung von Mann und Frau, zu Parteienvielfalt und zu Homosexualität stehen, wird auch in Berlin diskutiert.

Sowohl CDU-Politiker als auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) halten den Einbürgerungsprozess in der Hauptstadt für veränderungsbedürftig. Für die Grünen und die FDP reichen die bestehenden Überprüfungsmaßnahmen aus. Alle Parteien, die Kirchen und die muslimischen Organisationen sind sich einig, dass der baden-württembergische Fragebogen kein Vorbild für Berlin sein kann. Diese Einstellung ist dagegen für die in Berlin lebende deutsch-türkische Soziologin Necla Kelek Beweis dafür, „dass Muslime in Deutschland unter Naturschutz stehen“.

Die süddeutsche Befragungspraxis sei eine „Schande für die Bundesrepublik“, sagt Taciddim Yatkin, der Präsident der türkischen Gemeinde in Berlin. Sie verstoße gegen das Grundgesetz, wonach niemand wegen seiner Herkunft, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt werden dürfe. Yatkin rät den Mitgliedern seiner Gemeinde, die Aussage zu verweigern, wenn ihnen Fragen danach gestellt werden. Etliche Muslime hätten ihre Einbürgerungsanträge bereits zurückgezogen, weil sie empört sind über den baden-württembergischen „Gesprächsleitfaden“. Für Berlins Integrationsbeauftragten Günter Piening ist der Fragenkatalog genau deshalb ein „Irrweg“. „Wir wollen doch, dass Muslime Deutsche werden und mitgestalten wollen“, sagt Piening. Seine Behörde hat gerade eine Einbürgerungskampagne gestartet. „Die baden-württembergischen Fragen schrecken gerade die ab, die noch Werte leben“, sagte Piening.

Diese Befürchtung teilt CDU-Politiker Kurt Wansner. Er ist Kreisvorsitzender in Friedrichshain-Kreuzberg und weiß, wie sehr die baden-württembergische Praxis deutsch-türkische Parteimitglieder empört. Wansner ist wie der FDP-Innenpolitiker Alexander Ritzmann und der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu der Meinung, mit der Befragung „wird viel Porzellan zerschlagen“. Der Nutzen sei gering. Wer wirklich etwas zu verbergen habe, werde sich auch mit dem Fragebogen nicht auf die Spur kommen lassen. Und Sanktionsmaßnahmen für falsche Antworten gibt es nicht. CDU-Generalsekretär Frank Henkel lehnt den Fragebogen für Berlin zwar auch ab, findet aber, „dass die Bundesrepublik ein Recht hat, Instrumentarien zu entwickeln, um herauszufinden, ob ein Neubürger auf dem Boden unserer Werteordnung steht“. Das könne nur mit einer bundesweit einheitlichen Lösung geschehen. Er regt an, aus der regulären Anfrage beim Verfassungsschutz und dem baden-württembergischen Fragebogen eine neue, weitere Maßnahme zu entwickeln.

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