zum Hauptinhalt

Berlin: Keine Strafe für schwarze Schafe

Kripo ermittelt gegen überhöht abrechnende Ärzte / Mafiöse Zustände bei KV?VON UTA VON ARNIM BERLIN.

Kripo ermittelt gegen überhöht abrechnende Ärzte / Mafiöse Zustände bei KV?VON UTA VON ARNIM BERLIN.Um Betrügern im weißen Kittel auf die Spur zu kommen, hat sich jetzt die Kriminalpolizei eingeschaltet: Zwei Beamte der Ermittlungsgruppe "Medicus" arbeiten sich in die ärztliche Gebührenordnung ein.Hinweise auf zuviel abrechnende Ärzte mehrten sich, sagt Jörg Dessin von der Inspektion Wirtschaftskriminalität beim LKA.Drei Strafanzeigen liegen bereits auf dem Tisch des Staatsanwaltes.Die Standesorganisation "Kassenärztliche Vereinigung" (KV), die bei Kontrollen auf 150 zum Teil extrem überhöht abrechnende Ärzte gestoßen war, hatte "versucht, das innerärztlich zu regeln", wie Sprecherin Ellen Harnisch sagt.Bisher bekamen nur Spitzenreiter, die bis zu 25 Stunden Arbeit am Tag abgerechnet hatten, direkte Konsequenzen zu spüren: Sie mußten Verdiensteinbußen hinnehmen.Der KV-Vorstand gerät deshalb zunehmend unter Druck: Mediziner, die wegen des gemeinsamen Honorartopfes unter der Raffgier ihrer Kollegen leiden, trauen ihren Standesvertretern nicht mehr zu, "diesen Sumpf" auszutrocken.Die Hausärzte, größte Verlierer im Geldverteilungskampf des letzten Jahres, überlegen, gegen die KV "wegen Untätigkeit" juristisch vorzugehen.80 Millionen seien ihnen im letzten Jahr entgangen, sagt Klaus-Joachim Schilling von der Hausarztinitiative, ein Drittel seiner Kollegen sei in ihrer Existenz bedroht. Für lächerlich gering hält er die Zahl der 150 Ärzte, die die KV als "Vielabrechner" herausgefunden habe: "Das ist doch nur die Spitze des Eisbergs".Auch der Internist Hans-Georg Fritz wirft der Kassenärztlichen Vereinigung vor, Konsequenzen für die falsch abrechnenden Mediziner "auf die lange Bank geschoben" zu haben.Die Ermittlungen der Kripo, die "den Ruf der Ärzte schädigen", hätten "verhindert werden können, wenn die bekanntgewordenen Fälle sofort Konsequenzen gehabt hätten". Nach einem Bericht der Fernsehsendung "Monitor" war die Berliner Kriminalpolizei auf das Problem aufmerksam geworden.Einzelne Fälle von falsch abrechnenden Ärzten hat es immer gegeben.Aber heute, so Inspektionsleiter Dessin, halte man es für sinnvoll, eine eigene Ermittlungsgruppe zu gründen, um "eine effizientere Bearbeitung zu gewährleisten".Es handele sich doch um ein "sehr spezielles" Delikt, die Kollegen müßten sich in die Gebührenordnung der Ärzte einarbeiten. "Monitor" hatte im Februar über den Berliner Ärzte-Skandal berichtet: Die Mediziner hatten mehr Behandlungen abgerechnet, als sie selbst bei größtem Fleiß an einem Tag gemacht haben konnten.Ein Orthopäde mußte 22 Stunden am Tag gearbeitet haben, glaubte man seiner Abrechnung.Berliner Mediziner kritisieren jetzt nicht nur, daß solche Fälle bis heute nicht bestraft werden.Sie bemängeln vor allem den Maßstab der Kontrollen, der "lächerlich niedrig" (Fritz) angesetzt ist, so daß nur die ganz eklatant überhöhten Abrechnungen überhaupt auffallen. So sollen Ärzte in der Lage gewesen sein, einen Sterbenden in drei Minuten zu betreuen, ohne daß ihnen dieses bei der Kontrolle angekreidet worden wäre.Ein Belastungs-EKG, für das ein Arzt nach den Angaben des Internisten Friedrich Wilhelm Neubauer "normalerweise mindestens eine Viertelstunde braucht", ging mit einer Minute durch. Die kassenärztliche Vereinigung hat schon lange versprochen, diesen Kontrollmaßstab zu verändern - bisher ist auch hier nichts passiert."Die Zeitvorgaben werden neu erarbeitet", sagt Sprecherin Harnisch.Allgemeinmediziner Schilling vermutet hinter der Untätigkeit der KV Angst vor einem Eklat, sein Kollege Neubauer findet die Zustände "schlicht mafiös". Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe geht mit Kollegen, die "bis zu 24 Stunden Gespräche täglich abgerechnet haben" weniger schonend um: "Wir mußten vor zwei Wochen zwölf Ärzte der Staatsanwaltschaft überstellen, weil sich der Betrugsverdacht soweit erhärtet hat" sagt Sprecherin Susanne Hofmann.

Zur Startseite