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Berlin: Keulen fliegen und Hüllen fallen

Das Duo „Strahlemann & Söhne“ jongliert nicht nur. Die Herren ziehen sich aus – und wieder an

Am Schluss der Nummer sind alle erleichtert: die beiden Herren auf der Bühne, weil ihre Arbeit wieder perfekt war, und das Publikum, dem es von Minute zu Minute mehr den Atem verschlägt, wenn „Strahlemann & Söhne“ im Wintergarten auftreten. Die Jongleure Pat und Gordon spielen quasi mit sich und den Zuschauern. Ihre Nummer beginnt ganz harmlos als übliche, oft gesehene Jonglerie mit vier Keulen, aber dann, plötzlich, schleicht sich eine hochwirksame Dramaturgie ins Spiel. Während die beiden Berliner ihre Jongliergeräte hin- und zurück werfen, pellen sie sich langsam, aber stetig aus ihren Anzügen. Das heißt: In den Sekundenbruchteilen zwischen Auffangen und Wegwerfen der Keulen entledigen sie sich ihrer Sakkos, Westen, Hemden und Schuhe und werfen die Kleidungsstücke dem Partner zu, der sie auffängt und nun seinerseits anzieht. Zehn Minuten dauert dieser Strip bis zum Slip, An- und Ausziehen plus Jonglerie. Das Publikum ist entzückt und rast. Natürlich entsteht eine zusätzliche Spannung dadurch, dass sich jeder fragt, wie weit es die beiden gut gebauten, muskulösen Körper mit dem Entkleiden wohl treiben. „Nie würden wir eine Strip-Show bis zum Allerletzten machen“, sagen Pat und Gordon, „die Socken bleiben an. Und der Slip. Aus Prinzip“.

Hier wird eine Leistung bejubelt, die außergewöhnlich ist. Einmal, in Kanada, gab es sogar Standing Ovation – „für Jongleure höchst ungewöhnlich“, sagt Pat, mit 36 Jahren ein Jahr älter als sein Partner Gordon. Die beiden lernten sich 1983 in der Staatlichen Fachschule für Artistik in Ost-Berlin kennen, Jonglieren war ihr Steckenpferd, der eine jonglierte nach dem Abschluss 1986 in einer größeren Truppe, der andere bekam den Berufsausweis für seine Ikarischen Spiele. Gordon ging nach einer weiteren Ausbildung zum Balletttänzer als Solist zum Metropol-Theater, und eines Tages erinnerten sich beide ihres gemeinsamen Hobbys, und da fiel ihnen ein alter Film ein, in dem ein Clown beim Jonglieren en passent aus seinen Klamotten steigt und sich danach, noch immer mit den Bällen beschäftigt, wieder anzieht.

Eine neue Nummer war geboren. „Wir spürten beim Üben, dass das auch zu Zweit funktionieren könnte“, sagt Gordon, „und so wurde aus der klassischen Partner-Jonglage unfreiwillig eine Comedy-Performance.“ In unserer nach dem Ungewöhnlichen, Sensationellen gierenden Zeit war der Erfolg nahezu garantiert, denn in dieser Nummer verbinden sich auf spielerische Weise Können, Konzentration, Überraschung, Spannung und Unterhaltung – da kann eigentlich nichts schief gehen. So gab es 2001 den Deutschen Varietépreis für die innovativste Darbietung, Engagements in zahlreichen der insgesamt 23 deutschen Varietés und in Kanada, Singapur, Hongkong, Bangkok; die Herren sind bis ins übernächste Jahr nahezu ausgebucht, es geht bis nach Japan.

Nach fünf Jahren Weltenbummelei ist das (noch bis zum 4. Mai laufende) Wintergarten-Programm „Tandem“ für die Strahlemänner aus Kreuzberg und Mitte ein Heimspiel, das sie genießen: „Endlich mal keine Hotels, sondern die eigene Familie im lang entbehrten Zuhause.“ Ach ja, der Name. „Hinz und Kunz wollten wir uns nicht nennen, Opa hat immer Strahlemann gesagt, wenn er freundliche Leute meinte. Das ist etwas Berlinisches, und da weiß doch jeder gleich, mit wem er es zu tun hat.“

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