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Klub der Republik vor dem Aus: Der Prenzlauer Berg wird zum Kiez ohne Szene

In Prenzlauer Berg schließt nun auch der Klub der Republik – mit einer Party, einer Mahnwache und einer makabren Kunstaktion.

Das Banner an der Hausfassade ist weithin sichtbar. Immer wieder bleiben Passanten stehen und lesen, was in roten Buchstaben auf weißem Grund über ihren Köpfen prangt: „Erst wenn die letzte Eigentumswohnung gebaut, der letzte Klub abgerissen, der letzte Freiraum zerstört ist, werdet ihr feststellen, dass der Prenzlauer Berg die Kleinstadt geworden ist, aus der ihr mal geflohen seid.“ Darunter kleben Dutzende Plakate, einige mit schwarzen Kreuzen; auf den Fenstersims hat jemand Friedhofskerzen gestellt.

Der „Klub der Republik“ (KdR) in der Pappelallee 81 ist einer der letzten Klubs in Prenzlauer Berg. In dem zweistöckigen Gebäude war in den Sechzigerjahren die „Produktionsgenossenschaft des Handwerks Linoleum und Teppichboden“ ansässig. Seit 2002 tanzen hinter den bodentiefen Fenstern der oberen Etage die Gäste oft bis in die frühen Morgenstunden. Das werden sie auch am heutigen Donnerstag tun, aber vermutlich nicht so unbeschwert wie sonst, denn die Tage des KdR sind gezählt: Ende des Monats muss der Laden schließen, bis dahin soll jeden Abend gefeiert werden. Im Februar kommen die Bagger und reißen das Haus ab, um Platz zu schaffen für einen Neubau mit 31 Eigentumswohnungen in „gehobener moderner Ausstattung“. Auf seiner Internetseite wirbt der Investor, der für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, so: „Das Grundstück mit der Nummer 81 ist die letzte bebaubare Liegenschaft im Helmholtzkiez. Kultur, Einkaufen, Essen, Leben, wie gesagt: mehr Stadt geht nicht.“

„Es geht hier nur noch ums Geldmachen“, sagt einer der Betreiber, der lediglich Dominik genannt werden will. An einem späten Januarvormittag sitzt er mit seinen Mitstreitern im KdR. An den Wänden klebt Tapete im Retro-Look, hängen Lampen im original DDR-Design. Auf dem abgetanzten Parkettboden, zwischen zerschlissenen Sofarondellen und abgewetzten Sesseln, liegt Hündin Jula, das inoffizielle Maskottchen des Klubs. Ursprünglich hätten die Betreiber des KdR bis April in den Räumen bleiben können. Doch weil sich der Voreigentümer nicht um eine sogenannte sanierungsrechtliche Genehmigung gekümmert hatte, wurde ihr Mietvertrag unwirksam. Der neue Investor, die P&P GmbH Berlin, will nun schon früher mit den Bauarbeiten loslegen – und gewährt dem KdR nur bis Ende des Monats Bleiberecht. Für eine Stellungnahme war der Investor nicht zu erreichen.

„Dass schon im Januar Schluss sein soll, kam für uns sehr plötzlich, im November“, sagt Deacon Dunlop, der für die Bar und das Booking der DJs zuständig ist. Nun wird mit der Party zum zehnjährigen Jubiläum des Klubs zugleich dessen Ende gefeiert. Im Stich gelassen fühlen Dunlop und seine Kollegen sich vor allem von der Politik. „Man muss sich nur mal angucken, wie es hier vor 15 Jahren aussah“, sagt Dominik, „damals gab es viele Freiräume, davon ist jetzt nichts mehr übrig geblieben.“ Nach und nach werde die Kreativszene aus dem Bezirk gedrängt. Raum sei nur noch „für eine kleine Klientel mit dickem Geldbeutel“ zugänglich.

Woher kommt das Clubsterben?

Neue Investoren, Ärger mit den Nachbarn, steigende Mieten: Die Probleme der Klubbetreiber in Prenzlauer Berg häufen sich seit der Jahrtausendwende – für viele bedeuten sie das Aus. In der Greifswalder Straße musste der Knaack Klub nach fast 60 Jahren dichtmachen, weil sich die Bewohner eines benachbarten Neubaus über den Lärm beschwert hatten. Den wenige Meter entfernten Magnet Club zog es aus ähnlichen Gründen vorsorglich nach Kreuzberg. Und auch die Betreiber des Icons in der Cantianstraße gaben nach 15 Jahren auf – unter anderem wegen genervter Anwohner. Gerade sind Lars Döring und Pamela Schobeß dabei, ihren Club leerzuräumen, Ende des Monats ist Schlüsselabgabe.

„Das Thema Klubkultur in Prenzlauer Berg ist durch“, sagt Lutz Leichsenring von der Club Commission, dem Interessenverband der Berliner Veranstalter. Läden wie das Icon oder der Knaack Klub hätten „von Behördenseite Schutz bekommen müssen“. Dass dies nicht geschehen sei, verdeutliche das fehlende Gespür für die Probleme der Betreiber. Die Szene sei wichtig für den Kiez, für dessen gesellschaftliche Zusammensetzung. „Klubkultur ist eben nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern wirkt sich auch auf die Stadtentwicklung aus“, sagt Leichsenring

Um darauf hinzuweisen, soll es in den kommenden Tagen Mahnwachen vor dem KdR geben. Zudem findet heute Abend ab 19 Uhr eine Kunstaktion statt: Der Klub wird von seinen Betreibern und Weggefährten symbolisch zu Grabe getragen. Mit dabei werden auch Lars Döring und Pamela Schobeß vom Icon sein. „Wir wollen den Bezirk darauf aufmerksam machen, was ihm verloren geht“, sagt Döring und begründet damit seine Solidarität.

Die Betreiber des KdR sind nun auf der Suche nach neuen Räumen. In Prenzlauer Berg haben sie bislang nichts Geeignetes gefunden, nun wollen sie sich in Pankow oder Mitte umsehen. Auf jeden Fall im Osten der Stadt. Denn nur hier mache die DDR-Ästhetik der Inneneinrichtung und der vom Palast der Republik entlehnte Name des Klubs Sinn, sagt Deacon Dunlop.

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