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Tierschutzlehrerin Ulrike Pollack hält den Mischlingswelpen Alfi im Arm.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kinder und Haustiere: Streicheln steht auf dem Stundenplan

Und lernen, wie man als Kind mit Hamster, Kaninchen, Ziege, Hausschwein oder Hund richtig umgeht. Geübt wird im Freiluft-Klassenzimmer des Tierheims. Die Paukerin ist nett – und Tierschutzpreisträgerin.

Alfi geht in Deckung. Duckt sich weg, klemmt den Schwanz ein, legt die Stirn in Falten. Zehn Kinder drängeln sich um den Hundezwerg, alle wollen sein schmuseweiches Fell streicheln. „Stopp!“, sagt Ulrike Pollack. „Geht in die Hocke, macht euch klein.“ Und als die Runde der Elf- und Zwölfjährigen in die Knie geht, erklärt sie, warum das sein muss: „Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ein Trupp von Riesen auf euch zustürmt?“ Also besser mit einem Welpen auf Augenhöhe gehen, leise sein, die Hände für eine Schnupperprobe hinhalten. Die Tierschutzlehrerin weiß, wie’s funktioniert.

Hat geklappt. Alfis Schwanzspitze taucht wieder auf, die Augen gucken neugierig aus dem schwarzen Gesicht. Ulrike Pollacks kleiner Assistent macht heute wieder einen guten Job. Es ist 9.55 Uhr, Beginn der dritten Schulstunde. Die Klasse 6c der Grundschule am Falkplatz in Prenzlauer Berg hat Unterricht im tierischen Klassenzimmer des Tierheimes in Hohenschönhausen-Falkenberg. Eine kleine Schulfarm mit Ställen und Gehegen. Auf dem Stundenplan steht das Wissen über Haustiere, über Kaninchen, Katzen, Hamster und andere heimische Hausgenossen. Auch über solche, die einen Garten oder Stall brauchen: Ziegen, Schweine, Schafe, Hühner oder Gänse. Lektionen fürs Leben.

Die Lehrkraft, eine promovierte Soziologin, 35, ist echt locker. Ulrike Pollack, rote Windjacke, buntes Halstuch, Pferdeschwanz, steht am Lattenzaun, krault die langen Ohren von Esel Kasimir, zu ihren Füßen hockt Schulhund Pollo. Den hat sie immer dabei. „Er liebt Kinder.“ Dies ist ihr Traumjob. Ihre Dissertation schrieb sie über die „Beziehung von Menschen und Tieren in der Großstadt“. Seit 2005 beschäftigt sie der Tierschutzverein als Pädagogin, im Oktober erhielt sie vom Senat den „Berliner Tierschutzpreis 2012“.

Ziegenbock Picasso boxt gegen das Gatter, er will zu den Kindern. Wer möchte ihn mal über die Wiese führen? Vier Mädchen. Als sie ganz nah vor dem schneeweißen Exemplar stehen, hält Sandra einen Apfel über ihrem Kopf. Die Dressur klappt: Picasso macht Männchen, holt sich das Obst mit den schwarzen Lippen behutsam aus ihrer Hand. „Toll, diese weichen Nüstern“, ruft Sandra, streicht über Picassos Hängeohren, streift ihm das rote Halsband über, führt ihn im Kreis. „Der ist ja brav wie ein Hund.“ Ruken steht am Gatter und notiert, was Ulrike Pollack über Ziegen erzählt. Etwa, dass sie Feinschmecker sind, Blätter und Kräuter lieben.

Pollack bringt den Kindern auch bei, was Haustiere brauchen, wie man sie artgerecht hält. Karl erzählt von seinem Kaninchen, das lebt solo. „Es wünscht sich bestimmt einen Kumpel “, sagt die Lehrerin. „Kaninchen sind Gesellschaftstiere.“ Tierschutz fängt beim Haustier an, nicht erst bei bedrohten Elefanten oder Walen. Im tierischen Klassenzimmer bekommen die Kinder auch, was vielen Erwachsenen fehlt: einen Blick für die Körpersprache von Hunden oder Katzen. So wäre eigentlich auch der Dauerkonflikt um Hunde in Berlin zu lösen, sagt Pollack und hält eine Tüte für Hundehaufen hoch. „Wenn sich jede Seite mehr bemüht.“

Pollo ist dran. Wie begrüßt man ihn richtig? Paul und Angelique üben das, schauen dem Hund nicht in die Augen, reichen Leckerchen auf der flachen Hand. Pollos beeindruckende Zähne tun ihnen nichts, seine Nase fühlt sich hübsch feucht an in der Hand. Wie erkennt man eigentlich, wenn Pollo Stress hat? „Dann gähnt er oder schleckt sich über die Nase.“ Die Schüler probieren „Sitz!“, dann „Platz!“, der Hund macht mit. Und Anna, erst ganz hinten, ist jetzt vorne mit dabei. Ein bisschen kleiner ist ihre Hundeangst schon.

Es folgt die zweite Lektion am Gehege von Max und Moritz, den Landschweinen. Die schmatzen die Äpfel der Kinder weg, grunzen nach mehr. Rückenborsten, hart wie ein Schrubber, pieksen in die Hand. Nebenan steht ein Holzhäuschen, der Raum ist erfüllt von Ferkelquietschen aus Lautsprechern. Die Kinder müssen über den Spaltboden gehen, sind eingepfercht wie die Tiere in der konventionellen Mast. Ein Schweineleben. Im Häuschen daneben das zweite Erlebnis: Draußen gackern die Tierheimhennen, drinnen steht eine vergitterte Voliere. Leon zwängt sich hinein, sie ist gerade mal groß genug für ihn. Tür zu, Platzangst. Das müssen Hühner in Legebatterien aushalten.

Später besucht die 6c das Katzenhaus. Hunderte Katzen benötigen ein Zuhause. Was braucht eine Wohnungskatze am dringendsten? Marie kennt das von zu Hause. „Einen Spielkameraden zum Herumtoben. Katzen sind nämlich Jäger. Die langweilen sich sonst schrecklich.“ Deshalb bekam ihre Lise eine Freundin: Monchen.

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