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Berlin: Kindermusical: Fantastische Reise zum Nordpol

Das Fahrrad als Flugmaschine, eine Postkarte, die singt, und ein Hotel für Kühe aus Pappe - Kinder können alles möglich machen. Zumindest in ihrer Fantasie.

Das Fahrrad als Flugmaschine, eine Postkarte, die singt, und ein Hotel für Kühe aus Pappe - Kinder können alles möglich machen. Zumindest in ihrer Fantasie. Und wenn die Erwachsenen sie nicht stoppen, dann wird sogar ein ganzes Musical daraus. "Jaskors Reise zum Nordpol" ist von vorn bis hinten von Kindern produziert und hatte am Freitag an der St.-Paulus-Grundschule in Moabit Premiere.

"Das Lernen der Texte war das Schwierigste", sagt die zehnjährige Alina aus Tiergarten. Sie ist eine der Hauptdarstellerinnen der aufregenden Geschichte: Der kleine Jaskor wird von einer Hexe zum Monster verwandelt und macht sich nach einem Zeitsprung von 28 Jahren auf zum Nordpol, um sein echtes Aussehen zurück zu bekommen. Unterwegs trifft er auf so viele Widrigkeiten wie Helfer, bis zur letzten, überraschenden Wendung dauert es volle zwei Stunden.

"Wir haben das Drehbuch in einer Schreibwerkstatt entwickelt", sagt Claudia Reuer, "die seit zwei Jahren mit zwei Kollegen an dem Projekt arbeitet." Sie riefen die Kinder auf, Regisseure, Autoren, Musiker, Schauspieler und Techniker zu sein. Beteiligt sind jetzt 88 Schüler zwischen neun und 12 Jahren, die Rollen sind jeweils doppelt besetzt. "Die Kinder leisten Großartiges", sagt Elisabeth Pöllinger, seit 30 Jahren an der Katholischen Schule. "Seit Weihnachten üben wir, zweimal pro Woche haben wir regelmäßig geprobt."

Alina hat dafür auch schon einmal den Flötenunterricht oder das Judotraining sausen lassen. Sie hat wie die anderen Kinder mitentschieden, wer oder was die Figur Jaskor sein soll. Die Kinder haben entschieden, wie die Arme gestaltet wurden, wie die Beine, der Kopf aussehen soll. Ihre Ideen trugen sie zusammen und überlegten, wie er zu seinem Aussehen gekommen sein könnte. Jeder hatte da eine kleine Geschichte im Kopf. Daraus strickten sie dann die Handlung.

Für das Musical-Projekt warb Musiklehrer Michael W. Hoffmannn in seinem Schülerorchester. Für jede der elf Szenen komponierte er in fünf Monaten ein einfaches Stück. "Es hieß von Anfang an: Proben sind ausschließlich nach der Schule", sagt er. "Das muss man durchhalten." Abgesprungen ist ihm nur ein einziger Musiker. Der 12-jährige Philipp, mit dem breit einsetzbaren Keyboard so etwas wie der Konzertmeister, schiebt die Proben oft vor seinem Basketballtraining ein. Das Publikum lockt ihn zu sehr: "Ich wollte schon immer etwas Musikalisches aufführen", begründet er seine Energie.

Doch ohne Techniker sind Schauspieler und Musiker nichts - die Kinder an der Ausrüstung und den Kabelrollen haben den härtesten Job, denn sie sind ununterbrochen gefragt. Außerdem springen begeisterte Eltern mit ein. "Ein Wochenende lang war die Aula hier in eine Bühnenwerkstatt verwandelt", erzählt Frau Pöllinger. Väter räumten ihre Bastelwerkstätten leer, rückten mit Stichsägen und Klebepistolen an und bauten Bühnenbilder. 13 davon braucht das Musical, etwa einen Eisberg aus Folie oder die Zugkabine, in der Jasko reist, während ihn die Techniker auf Rollen über die Bühne ziehen.

Kostüme gab es im schuleigenen Fundus, andere brachten die Kinder selbst mit. "In den Wochen vor der Premiere nähten zwei Mütter noch zwölf Eisbärenkostüme", sagt Lehrerin Pöllinger dankbar. 40 Meter Fellstoff halten dafür her. Die heiße Phase des Musicals lief erst seit einem Jahr - das ist relativ kurz für ein Kinderstück, sagt Hoffmann. "Aber sie verlieren die Lust, wenn die Ergebnisse zu zäh kommen." Die Kunst sei, den Kindern in allen Bereichen die Fäden in der Hand zu lassen und trotzdem mit einer "gewissen Strenge" etwa das Textelernen zu verfolgen.

"Bald aber haben sie sich selbst gegenseitig viel strenger bewertet, als das vielleicht Erwachsene tun würden", erzählt Hoffmann. Schwierig wurde es für die Lehrer immer nach den Ferien: "Das ist dann kindertypisch, dass man nach wochenlanger Pause fast nochmal von vorne anfangen muss", sagt Hoffmann. Aber jetzt ist es geschafft - am Freitag lief "Jaskor" in der ersten Besetzung an, am Tag darauf spielte die zweite. Weiter geht es dann im Juli.

Zwar war das Projekt für die Grundschüler oft ein Kraftakt, sagt Hoffmann, doch "ihr Interesse war der treibende Faktor für ein so aufwendiges Stück." Das Reizvolle bei ihnen sei, dass es in ihrer Fantasie noch bunt durcheinander geht. "Da kommt dann eben ein Luxusliner im Märchen vor genauso wie eine Flugmaschine" - die Mischung aus Fahrrad und fliegendem Teppich ist eines der vielen Gefährte für Jaskor auf seiner langen Reise.

Margret Steffen

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