zum Hauptinhalt

Berlin: Kirche für Nichtchristen: Ohne Konfession, aber nicht gottlos

Es ist Zufall, dass die erste Kirche für Nichtchristen in Berlin gerade in Marzahn eröffnet wird. Hohenschönhausen, Lichtenberg oder Hellersdorf wären genauso gut gewesen.

Es ist Zufall, dass die erste Kirche für Nichtchristen in Berlin gerade in Marzahn eröffnet wird. Hohenschönhausen, Lichtenberg oder Hellersdorf wären genauso gut gewesen. Aber Pfarrer Hartwig Neigenfind wurde nun mal im Norden der größten Plattenbausiedlung Deutschlands fündig. Und deshalb wird an diesem Sonntag in einer umgebauten Kindertagesstätte das neue Gotteshaus eingeweiht. Allerdings muss ein Teil der 300 erwarteten Gäste in Zelten sitzen. Denn vor dem modernen hölzernen Altar finden nur 100 Personen Platz.

An eine "richtige" Kirche erinnert in der Schwarzburger Straße 8 kaum etwas. Auch sonst ist vieles anders. Die evangelisch-lutherische Missionsgemeinde Marzahn will vor allem nichtgläubige Menschen erreichen. "Wir wollen uns um diejenigen kümmern, die bislang niemals in die Kirche gehen, die mit Gott einfach nichts anzufangen wissen", sagte der Pfarrer. Er selbst sei hoch motiviert für dieses Pilotprojekt und wolle mit Leidenschaft an die Arbeit gehen. Diese hat eigentlich schon vor Wochen begonnen. Immer wieder kamen Kinder und Erwachsene auf die Baustelle und wollten wissen, was hier passiert. Nach der Aufklärung schlug es dem 31-jährigen Neigenfind oft entgegen: "Ich bin nicht kirchlich, was soll ich hier?"

Aus Sicht des Pfarrers bringe die Kirche auch in der heutigen Zeit unglaublich viel. "Die Menschen sind gestresst, einsam und haben Existenzängste", sagt er. "Wir wollen den christlichen Glauben auf moderne Weise vermitteln und dadurch Möglichkeiten aufzeigen, wie man diese Krisensituationen überwindet." Neigenfind weiß, dass das schwer wird, schließlich sind in Marzahn schätzungsweise 90 Prozent der Bewohner konfessionslos. Aber gerade darin liegt für ihn auch der Reiz. Ein Konzept habe er nicht, behauptet er. Auf jeden Fall könne er sich auf das Interesse seiner Mitmenschen verlassen. So erhalte er öfter Anrufe von Hilfesuchenden und besucht sie auch. Seinen Nachbarn will er auch weiterhin jeden Monat einen Brief schreiben. Darin stellt er sich vor, bietet Gesprächsrunden und Bibelstunden an und lädt zum Gottesdienst ein.

"Viele Aktivitäten werden sich noch im Laufe der Zeit ergeben", ist der Pfarrer sicher. Er könnte sich beispielsweise vorstellen, dass in einen Teil der Kita, irgendwann einmal ein Jugendclub einzieht. Seine Predigten stellt er sich so vor, dass sie auch Nicht-Christen verstehen. Deshalb benötigt er zur Vorbereitung eines Gottesdienstes viel länger als an seiner alten Wirkungsstätte in Wilmersdorf. Neigenfind, der mit seiner fünfköpfigen Familie direkt über den Kirchenräumen wohnt, fühlt sich trotzdem wohl im Osten. Und einige seiner Kollegen seien "ganz scharf" auf seine Stelle, erzählt er augenzwinkernd. "Vor wenigen Monaten hatten sie mich noch belächelt."

bey

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false