zum Hauptinhalt
Schwester Gabriele Piel fünf Monate vor ihrem Tod 2015.

© Thilo Rückeis

Kirche: Gemeinsam einsam

Gabriele Piel war ihr Leben lang Bethel-Diakonisse. Dann wurde sie krank, und die Gemeinschaft schloss sie aus. Ihr Vater klagt jetzt vor Gericht gegen das Diakoniewerk.

„Papa, Du musst mir helfen“, hat Gabriele Piel ihren Vater immer wieder gebeten. Auch noch auf dem Sterbebett. Im Oktober 2015 ist sie mit 52 Jahren gestorben. Um seiner Tochter den letzten Willen zu erfüllen, ist Vater Gerhard Piel nun vor das Landgericht Berlin gezogen. Er hat die Diakoniegemeinschaft Bethel verklagt und Versorgungsansprüche seiner Tochter geltend gemacht. Am heutigen Donnerstag wird darüber verhandelt.
Mit 20 Jahren gelobte Gabriele Piel, als Bethel-Diakonissen zu leben: ehelos, in Gemeinschaft mit den anderen Schwestern und im Dienst für andere. Jahrelang arbeitete sie als Seelsorgerin und Pastorin. Ihr Gehalt zahlen die Schwestern bis auf ein Taschengeld in die Diakoniegemeinschaft ein. Die verpflichtet sich, eine gesetzliche Rentenversicherung für die Schwestern abzuschließen und sie zu versorgen, wenn sie krank und alt sind.
Doch als Gabriele Piel schwer erkrankte, wurde sie aus der Gemeinschaft ausgeschlossen – gegen ihren Willen. 2014 kam die Kündigung. Damals wurde sie nach 15 Bauchoperationen im Sanatorium West in Lankwitz rund um die Uhr betreut. Doch ihre Rente reichte dafür nicht aus. Die Diakoniegemeinschaft weigerte sich, etwas dazuzuzahlen. Ohne ihre Eltern hätte sie die Versorgung dort abbrechen müssen.

Die Diakoniegemeinschaft verpflichtet sich, für die Schwestern zu sorgen, wenn sie alt und krank sind

Die Diakoniegemeinschaft Bethel entwickelte sich aus einem Diakonissenhaus, das ein Baptist 1887 in Berlin gründete. 2016 fusionierte die Schwesterngemeinschaft mit dem Diakoniewerk Bethel. Das Werk beschäftigt 1700 Mitarbeiter und gehört zum Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden (BEFG). Es hat nichts mit den Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld zu tun.
Der Rauswurf von Gabriele Piel hat in Kirchenkreisen viele empört. „Die Diakonissen haben das Werk mit ihrer Arbeit aufgebaut“, sagte etwa BEFG-Generalsekretär Christoph Stiba. „Diese Frauen lässt man nicht am Ende ihres Lebens alleine.“ Das Vorgehen sei „keine Lebens- und Wesensäußerung der Kirche“.
Vater Piel verlangt nun 6300 Euro vom Diakoniewerk. Der Betrag entspreche der Lücke zwischen der Rente seiner Tochter und den tatsächlichen Kosten im Sanatorium. „Das Geld ist mir nicht so wichtig“, sagt Piel. Es gehe um die Ehre seiner Tochter. Würde das Werk den Ausschluss postum zurücknehmen, würde er auf das Geld verzichten.

Schwester Gabriele habe sich der Gemeinschaft entzogen, lautet der Vorwurf

Das Werk wirft Schwester Gabriele vor, sich durch den Aufenthalt im Sanatorium der Gemeinschaft entzogen zu haben. Auch habe sie dort ihre Tracht nicht mehr getragen. Dadurch habe sie „nachhaltig und vorsätzlich gegen wesentliche, die Diakoniegemeinschaft tragende Grundsätze verstoßen“. 2010 hatte die Oberin aber den Vertrag für die Heimunterbringung selbst unterschrieben und auch zugestimmt, dass Piel die Tracht ablegen durfte. „Die Vorwürfe sind absurd“, sagt Vater Piel. „Meine Tochter hat sich immer als Diakonisse verstanden.“ Er vermutet wirtschaftliche Gründe hinter dem Ausschluss. Die meisten der 48 Bethel-Diakonissen sind weit über 70 Jahre alt, Nachwuchs fehlt. Es bleibe der Eindruck, dass sich das Werk der im Hinblick auf das (junge) Lebensalter von Gabriele Piel „vermutlich hohen Versorgungsansprüche habe entledigen wollen“, schreibt Piels Anwältin in der Begründung der Klage. Das Diakoniewerk hat 2015 bestritten, dass der Ausschluss finanziell motiviert gewesen sei. Mit Blick auf die Gerichtsverhandlung wollte das Werk aktuell zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Der Bund der freikirchlichen Gemeinden prüft seit einem Jahr, ob er dem Diakoniewerk den Status der Bekenntnisgemeinschaft entziehen soll. Im Mai soll ein Ergebnis vorliegen. Würde das Werk aus dem BEFG ausgeschlossen, würde auch der Ausschluss aus dem Diakonischen Werk der evangelischen Landeskirche drohen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false