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Kirsten Harms: Wiederentdeckung "Germania"

Am Sonntag zeigt Kirsten Harms ihre Inszenierung von Alberto Franchettis Oper "Germania", einem Werk, das seit Jahrzehnten nicht mehr in Deutschland gespielt wurde. In dem Stück geht es um Rede- und Meinungsfreiheit.

Berlin - Mit Beginn der Spielzeit 2004/2005 hat die gebürtige Hamburgerin Kirsten Harms die Intendanz der Deutschen Oper Berlin übernommen. Vor ihrer Tätigkeit in Berlin hatte sie acht Jahre lang die Oper in Kiel geleitet und mit ihren dortigen Inszenierungen vor allem selten gespielter Werke bundesweit auf sich aufmerksam gemacht.

Frau Harms, Sie haben sich Zeit gelassen, bis Sie Ihre erste Regierarbeit vorstellen.

Wenn man als Intendant gewählt wird, braucht man mindestens zwei Jahre, um eine Spielzeit vorzubereiten. Das sind unglaublich komplexe Planungen. Es gab auch zunächst viele personelle Fragen zu lösen: So brauchten wir zum Beispiel einen neuen Generalmusikdirektor und einen neuen Geschäftsführer.

Warum nun "Germania" als erste Inszenierung?

Es ist ein Wagnis, aber ich frage mich, ob etwas gewonnen wäre, wenn ich "Aida" machen würde. "Germania" ist aus inhaltlichen Gründen auf den Spielplan gekommen. Die Oper wurde am Vorabend des Ersten Weltkriegs geschrieben und greift auf eine ähnliche Situation 100 Jahre früher zurück. Sie stellt die Frage nach der Tragödie Deutschlands, dieses Landes der Dichter und Denker, das sich immer wieder in schreckliche Kriege hineinmanövriert hat.

Können Sie das etwas konkreter beschreiben?

Es geht um die Folgen der Französischen Revolution, um die Frage nach der Rede- und Denkfreiheit und die Verteidigung dieser Werte. Die Frage, die gestellt wird: Was ist der Preis? Es ist ein Thema, dem wir uns wieder neu stellen müssen - auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Absetzung der Mozart-Oper "Idomeneo" bei uns im Hause. Ich glaube, dass "Germania" eine wirkliche Entdeckung ist. Es ist wahnsinnig wichtig, Stücke auf die Bühne zu bringen, die aktuelle Themen haben. Und in diesem Sinne glaube ich, dass "Germania" eine wirkliche Entdeckung ist.

Können Sie den Inhalt kurz skizzieren?

Studenten halten 1806 einen Verleger verborgen, der wegen der Verbreitung der anonymen Schrift "Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung" von der Polizei gesucht wird. Dahinter steht die französische Besatzungsmacht Napoleons. Philosophen, Dichter und Studenten versuchen, in der Bevölkerung Widerstand gegen die Ausbeutung und Besatzung zu organisieren, mit dem Ziel, das zersplitterte Land zu einen. Über die Mittel, ob mit dem Schwert oder mit der Feder, sind sich die Studenten uneinig. Der Verleger wird gefunden und hingerichtet - und damit auch symbolisch die Rede-und Gedankenfreiheit. Die Widerständler gehen in den Untergrund und radikalisieren sich. Sie finden sich in der Völkerschlacht bei Leipzig wieder. Allegorisch wird der gesamte Weltkosmos anhand der einzelnen Figuren durchgespielt.

Ihre beiden Berliner Intendantenkollegen an der Staatsoper Unter den Linden und der Komischen Oper haben für ihre letzten Regiearbeiten harsche Kritiken bekommen. Ist es überhaupt sinnvoll, Intendant und Regisseur gleichzeitig zu sein?

Intendant und Regisseur zu sein, das passt sehr gut zusammen. Intendant kann meiner Ansicht nach nur sein, wer ganz, ganz nah dran ist an der Entstehung eines künstlerischen Produkts.

Ihre erste Regiearbeit als Intendantin in Berlin wurde bereits in den Medien zur "Schicksalsfrage" der Deutschen Oper hochstilisiert. Wie empfinden Sie den Druck?

Ich sehe das gelassener. Ich habe schon viele Inszenierungen gezeigt und bin keine Anfängerin. "Germania" ist der erste Schritt von vielen, die noch folgen werden. (tso/ddp)

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