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Berlin: Kitas müssen künftig jede Erkältung melden

Influenza-Pandemieplan legt Frühwarnsystem fest

Von Sabine Beikler

Kindergärten und Schulen werden geschlossen, Konzerte abgesagt, Demonstrationen verboten. An den Flughäfen stehen Mediziner, die sich einreisende Passagiere genau anschauen: Das ist das Worst-Case-Szenario, das schlimmste anzunehmende Szenario im Falle einer Influenza-Pandemie.

Gestern ist das Vogelgrippe-Virus H5N1 erstmals bei Nutzgeflügel in Deutschland festgestellt worden. Zwar ist der Erreger bisher nur in extrem seltenen Fällen von Mensch zu Mensch übergesprungen. Aber die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schließt nicht aus, dass die Übertragungsschwelle kleiner wird und es zu einer weltweiten Epidemie kommt. „Dann muss die Versorgung der Bevölkerung gesichert sein. Wir wollen auch die Häufigkeit und Schwere der Erkrankung reduzieren“, sagte am Mittwoch Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei/PDS) bei der Vorstellung des Berliner Influenza-Pandemieplans.

Die WHO hat sechs Pandemie-Phasen formuliert. Bei der aktuellen Warnphase drei sind die Behörden gehalten, möglichst schnell eine Pandemie zu erkennen. Berlin will deshalb alle Atemwegserkrankungen in Kindertagesstätten beim Landesamt für Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi) registrieren. Je Bezirk werden sieben Kitas ausgewählt, die einmal pro Woche die Zahl der Erkrankungen dem Gesundheitsamt melden, das die Daten an das Lagetsi weiterleitet. „Die Kitas werden zurzeit noch ausgewählt“, sagte Knake-Werner. Auch die Charité sowie die anderen 37 Aufnahmekrankenhäuser und je vier Pflegeeinrichtungen pro Bezirk würden in das „Frühwarnsystem“ einbezogen, sagte die Senatorin.

Was aber passiert, wenn die Pandemie irgendwo in China oder in Südostasien ausbricht, wie Experten vermuten? „Eine Einschleppung des Virus wäre nicht aufzuhalten“, sagte Knake-Werner. Allerdings könne man sie durch Ausreisekontrollen in betroffenen Ländern oder Einreisekontrollen etwas verzögern. Eine Pandemie würde Berlin in einer oder mehreren Wellen von zwei bis vier Monaten Dauer erfassen. Sind 30 Prozent der Berliner erkrankt, rechnet man nach Hochrechnungen des Robert-Koch-Institutes (RKI) zusätzlich mit 534 000 Arztbesuchen, 15 000 Krankenhauseinweisungen und 4000 Todesfällen. Ist der Erreger so aggressiv wie bei der „Spanischen Grippe“ 1918, an der weltweit 40 bis 50 Millionen Menschen starben, kann die Zahl der Todesfälle in Berlin in die Zehntausende gehen.

Der Pandemieplan legt fest, dass 38 Aufnahmekrankenhäuser mit 17 000 Betten die Patienten versorgen. „Je nach Erkrankungsgrad könnten Patienten unter den Häusern aufgeteilt werden“, sagte Norbert Suttorp, Leiter der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie an der Charité. Suttorp ist auch Mitglied des Kompetenzzentrums für hoch infektiöse und bedrohliche Krankheiten, das sich mit der konkreten Umsetzung der Patientenversorgung befassen soll. Ob es Schwerpunktpraxen geben wird, die Influenza-Patienten getrennt von anderen Erkrankten behandeln, ob es reine „Fieberambulanzen“ für Influenzakranke geben wird, steht noch nicht fest: Die Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung laufen.

Im schlimmsten Fall kann der Senat Katastrophenalarm auslösen. Wann aber Schulen geschlossen oder Demos verboten werden, steht nicht im Plan. „Das ist situationsabhängig. Es gibt keine starren Szenarien“, sagte Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert-Koch-Instituts. Im Pandemiefall gibt das RKI Empfehlungen an die Länder ab.

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