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Am Freitag bestätigte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die umstrittene Flugroute vom künftigen BER-Hauptstadt-Flughafen über den Müggelsee.

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Kläger der BER-Flugroute über den Müggelsee gescheitert: „Dass es ein so deutliches Urteil wird, hätten wir nicht gedacht“

Am Freitag lehnte das Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg die Klage gegen die umstrittene Flugroute über den Müggelsee ab. Die Richter halten die Folgen der Flugrouten auf Trinkwasser und Vogelschutz für ausreichend geprüft. Die Kläger waren zwar überrascht, hatten sich aber auf die Niederlage vorbereitet.

Uwe Hiksch ist von großer Statur und auf alles vorbereitet. Er gehört zum Verein „Naturfreunde Berlin“, der auch gegen die umstrittenen Flugrouten über den Müggelsee geklagt hat. Am Freitagnachmittag zückt er gleich nach der Urteilsverkündung des Oberverwaltungsgericht einen Stapel Papier mit Pressemitteilungen. „Ich hatte für beide Fälle etwas vorbereitet, aber die hier war eigentlich nur meine Nummer zwei“, sagt Hiksch. Es ist die Mitteilung für die Niederlage vor Gericht. Und die fällt so deftig aus, dass er eigentlich eine dritte Version hätte vorbereiten müssen – für den Fall einer richtigen Klatsche. Dass es ein so deutliches Urteil wird, hätten wir nicht gedacht“, gesteht Hiksch.

Das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Roger Fieting hat in aller Klarheit entschieden, dass „keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht“. Das müsse im Planfeststellungsverfahren geschehen. Zwar schränkt das Gericht ein, dass der Planfeststellungsbeschluss auch Konflikte bewältigen muss, die durch von der Grobplanung abweichende Flugrouten entstehen. Erst wenn das nicht der Fall ist, sprich, wenn die abweichende Planung massive, neue Probleme aufwirft, sei eine Flugroutenfestsetzung rechtswidrig. „Das ist hier aber nicht der Fall“, sagte Fieting. Es sei zudem rechtlich nicht zu beanstanden, dass dem Schutz stärker lärmbetroffener Siedlungsgebiete Vorrang vor dem Schutz von Erholungsräumen eingeräumt werde. Alternativen, so das Gericht, seien geprüft und Gestaltungsspielräume nicht überschritten worden. Die Kläger befürchteten Auswirkungen der Flugrouten auf das Trinkwasser und die Vogelwelt. Beides wies das Gericht zurück. Richter Fieting merkte an, dass startende Flugzeuge an der betreffende Stelle die Höhe von 600 Metern bereits überschritten hätten, die für den Vogelschutz von Bedeutung sei. Das Urteil betrifft aber nicht nur die Müggelsee-Route, sondern auch die Wannseeroute. Im Januar hatte das OVG das Überfliegen eines Forschungsreaktors am Wannsee untersagt. Damit sprachen also Sicherheitsfragen gegen die Wannseeroute. Damals hatten Kläger aber auch beanstandet, dass es keine gesonderte Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben habe. Diese Frage klammerte das Gericht damals aus und hat es nun mitentschieden – mit dem gleichen für die Kläger negativen Ergebnis wie beim Müggelsee. Was das nun für den Wannsee bedeutet, ist noch nicht ganz geklärt. Denn das für die Festlegung der Flugrouten zuständige Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) hat Revision gegen das Januar-Urteil des OVG beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig eingelegt. Bis zu dessen Entscheidung bleiben die Sicherheitsbedenken bei der Wannseeroute bestehen.

Die Müggelsee-Kläger wiederum zeigten sich am Freitag besonders enttäuscht darüber, dass ihre Argumentation, wonach ihr Vertrauensschutz verletzt worden sei, weil die Flugrouten von denen im Planfeststellungsbeschluss abwichen, nicht einmal in der Urteilsbegründung berücksichtigt worden sei. Zunächst wollen sie zwar die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, aber sie kündigten trotzdem schon an, eine Revision anzustreben, notfalls wollen sie sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof gehen. Dort erhoffen sie sich größere Chancen, weil die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat und Verstöße gegen Umweltregeln vermutet. Der Bund hatte dieser Sichtweise bereits widersprochen. Und ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums begrüßte das Urteil des OVG am Freitag entsprechend. „Das stützt unsere Argumentation.“ Erleichterung auch aufseiten der Flughafengesellschaft: „Das Urteil zeigt, dass sich die akribische Arbeit der Bundesbehörden auszahlt“, sagte BER-Sprecher Ralf Kunkel. Auch einer möglichen Revision sieht er gelassen entgegen. „Das hat keine Konsequenzen für die Fertigstellung oder die Kapazitäten des BER, weil wir eine letztinstanzliche Genehmigung für den Bau des Flughafens haben“, sagte Kunkel.

Bei den Bürgerinitiativen, die seit Jahren gegen die Flugrouten kämpfen, löste das Urteil Ernüchterung aus. Am Ufer des Müggelsees hatten sich 30 Mitglieder der Bürgerinitiative Friedrichshagen versammelt und gemeinsam dem Richterspruch entgegengefiebert. „Wir machen jetzt natürlich keine Luftsprünge“, sagte Joachim Quast aus dem Sprecherrat. Man werde sich noch an dieses Urteil erinnern, mahnte Quast.

Als sich der Trubel im OVG am Freitagnachmittag gelegt hat, stehen Hiksch und seine Mitstreiter in der Nachmittagssonne vor dem Gerichtsgebäude in der Hardenbergstraße. Der Schock steckt ihnen noch sichtlich in den Knochen. „Und nun?“, fragt einer. Hiksch sagt nur: „Gehen wir noch ’nen Kaffee trinken?“

WO IST DER ZAUN?

Es war ein kleines Ereignis, eines mit Symbolkraft: vorm BER sprudelt jetzt der Brunnen, die langen Bauzäune sind weg – ist doch fast alles fertig, oder?

Wer den neuen Willy-Brandt-Platz vor dem Terminal einmal anschauen will, kann mit dem Bus 734 zum BER fahren – der rollt dort nämlich hin, einsam über verwaiste Parkplätze, Tag für Tag.

NÄCHSTER SCHRITT

Die BER-Planer um Hartmut Mehdorn haben eine Idee. Sie wollen den Nordpier – der wird genutzt von Billigfluglinien – in Betrieb nehmen und so den BER testen: von der Anreise mit der BVG über die Sicherheitskontrollen bis hin zu den Gepäckbändern. Ob dies gelingt, soll sich Mitte Juli entscheiden. Mit Easyjet, Condor und Norwegian verhandle man. Wann diese Teileröffnung sein soll? Dazu gibt es keine Angaben; zu hören ist aber oft der Spätherbst 2013 beziehungsweise das Frühjahr 2014. Ein konkreter Terminplan bis zur gesamten Eröffnung des Flughafens soll im September genannt werden. AG

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