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Gasversorger: Prozesslawine bei der Gasag

Die Gasag setzt sich in Hunderten Rechtsstreits mit ihren Kunden auseinander. Die Verfahren gehen mal so und mal so aus – je nachdem, wie gut die Kläger ihre damaligen Einsprüche gegen die Preiserhöhungen dokumentieren können und an welchen Richter sie geraten.

Das Paragraphengewitter an diesem Montagvormittag ist zwar heftig, aber es dauert nur drei Minuten. So lange braucht die Richterin im Amtsgericht Schöneberg, um die Entscheidung in der Sache „Gasag – Berliner Gaswerke Aktiengesellschaft ./. Dr. Kreibich-Fischer u. a.“ zu vertagen. Das „u. a.“ steht für den früheren FU-Präsidenten Rolf Kreibich, der seit 2004 gemeinsam mit seiner Frau die Preiserhöhungen der Gasag boykottiert. Deshalb hat ihn der Energieversorger nun auf Zahlung von etwa 2600 Euro verklagt. Der Fall zeigt, dass die Gasag an mehreren Fronten Ärger mit ihrer Kundschaft hat: Neben den schon bekannt gewordenen Klagen, mit denen Hunderte Kunden bereits bezahltes Geld zurückfordern, gibt es zahlreiche Fälle wie den von Kreibich, in denen der Versorger selbst versucht, das Geld einzuklagen, das Kunden einbehalten haben.

Kreibich vermutet, dass an ihm ein Exempel statuiert werden soll. Zugleich zeigen seine Schreiben an die Gasag, dass es ihm nicht nur um seine eigene Gasrechnung geht, sondern ums große Ganze. So verweist er auf seine langjährige Mitgliedschaft im Energiebeirat des Landes, in dem er schon früher die Preispolitik der Gasag kritisiert habe und nun „auch ein klares persönliches Einspruchszeichen“ setzen wolle. Da ist die Rede davon, dass die Gasag sich als Monopolist gebärde, Großabnehmern Spottpreise gewähre und dafür die Kleinkunden schröpfe.

Kreibich verweist in seiner Replik auch auf frühere Schreiben an die Herren Klaus Wowereit, Thilo Sarrazin und Harald Wolf, in denen er die Misere der Energiewirtschaft dargelegt habe. In ihrem Paragraphengewitter lässt die Richterin dazu die Anmerkung grollen, dass „Schreiben an Dritte“ vom Gericht nicht als Einsprüche gegen die Preiserhöhungen berücksichtigt würden. Im Übrigen müssten sowohl Kreibich als auch die Gasag noch Unterlagen nachreichen; als neuer Entscheidungstermin wird der 26. Juli in Aussicht gestellt. Man werde die Beteiligten per Post darüber informieren. Kreibich ist wegen eines anderen Termins ohnehin nicht selbst erschienen.

Nach Auskunft von Gasag-Sprecher Klaus Haschker klagt das Unternehmen gegen rund 180 Kunden, die Teilbeträge einbehalten hätten. „In der Mehrzahl dieser Fälle waren wir bisher erfolgreich.“ Kreibich hat, damit der zivile Ungehorsam seine Ordnung hat, das einbehaltene Geld auf einem Notarkonto geparkt. Es wäre also da, falls er verlieren sollte.

An der zweiten Front sieht es für die Gasag schlechter aus: Rund 700 Kunden haben geklagt – und rechnen sich gute Chancen aus, nachdem der Bundesgerichtshof eine Preisklausel aus dem Jahr 2005 für ungültig erklärt hat. Im Urteil hieß es sinngemäß, dass die Klausel die Kunden unangemessen benachteilige, weil sie die Gasag nicht verpflichte, Preissenkungen weiterzugeben. Allein die Verbraucherzentrale vertritt nach eigener Auskunft 194 Gasag-Kunden, für die sie mit einer Sammelklage 193 000 Euro erstreiten will. Da die Klage bereits läuft und deshalb nicht mehr erweitert werden kann, findet sich auf den Internetseiten unter www.vz-berlin.de eine umfassende Anleitung zum Selberklagen. Schließlich stand die vom BGH gekippte Klausel in schätzungsweise 300 000 Verträgen.

Gasag-Sprecher Haschker nennt die Prozesslawine „höchst ärgerlich und misslich“. Schließlich habe niemand zu viel bezahlt, denn nicht die Höhe der Gaspreise sei das Problem, sondern nur die Klausel in den Geschäftsbedingungen. „Mehr als 100 Verfahren zur Höhe der Preise sind zu unseren Gunsten ausgegangen“, sagt Haschker. Er hofft auf Klarheit nach einem Grundsatzurteil des BGH im Laufe dieses Jahres.

Die von Gasag-Kunden betriebenen Einzelverfahren gehen mal so und mal so aus – je nachdem, wie gut die Kläger ihre damaligen Einsprüche gegen die Erhöhungen dokumentieren können und an welchen Richter sie geraten. Schon an diesem Mittwoch steht vor dem Amtsgericht Mitte der nächste Verhandlungstermin an. Stefan Jacobs

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