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Berlin: Klassenkämpfer in der Kiste

Tour 5: Ins Deutsche Rundfunk- und Fernseharchiv. Dort wird das gesamte Radio- und TV-Erbe der DDR aufbewahrt – von Schnitzlers Schwarzem Kanal bis zum Sandmännchen

Ein schmaler Gang, rechter Hand einige tausend Boxen aus Kunststoff in hohen Regalen. Links das gleiche Bild bis unter die Decke. Der Inhalt der Kästen riecht ein wenig nach Antiquariat und es ist so still, als wäre der Lauf der Zeit hier unterbrochen. Deckel werden aufgehoben und Etiketten studiert – die Gäste sind neugierig. Dann spricht ein Mitarbeiter des Deutschen Rundfunk und Fernseharchivs in der Medienstadt Babelsberg. „Sie stehen gerade zwischen fünf Millionen Kontaktabzügen und 2,3 Millionen Negativen“, sagt er. „Allesamt Motive aus früheren DDR-Fernsehproduktionen“ – von „Polizeinotruf“ bis zum „Kessel Buntes“.

So beginnt eine Zeitreise ins Rundfunk- und Fernseh-Erbe der DDR. Die Tour führt durch ein lichtes, offenes Gebäude aus Glas, Metall und Ziegeln, dessen Grundstein 1999 im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD) gelegt wurde. Seit Frühjahr 2001 ist dieses einladende Haus in Betrieb, und seine Architektur gilt als Symbol für den Freimut, mit dem Deutschlands Teilung im Medienbereich aufgearbeitet wird. Hier geht es darum, Dinge sichtbar und verfügbar zu machen.

Zum Beispiel mehr als 100000 TV-Sendungen des einstigen ostdeutschen Staates. Oder rund 300000 Musik- und 100000 Worttonträger mit Kunst, Unterhaltung, Information und Agitation aus DDR-Radioprogrammen. „Wir haben nahezu das komplette Radio- und Fernsehprogramm der DDR von ihren Gründungstagen an“, sagt Peter-Paul Schneider, der Chef des Deutschen Rundfunk- und Fernseharchivs. Seit 1992 sichern und katalogisieren dessen Mitarbeiter den Bestand, aber sie sind noch längst nicht fertig. Jahrelang arbeiteten sie in Adlershof, 2001 zogen sie mit allen Schätzen nach Babelsberg um.

Auch 60000 Manuskripte lagern im Archiv. Ein Griff ins Regal: das „Polizeiruf“-Protokoll vom Juli 1988. Nebenan lagert die Manuskriptsammlung der „Aktuellen Kamera“ seit 1952. Und in einer Kiste das Papier, mit dem sich Karl-Eduard von Schnitzler am 30. Oktober 1989 in seiner 1519. Sendung im Schwarzen Kanals verabschiedete: „Der Klassenkampf geht weiter!“

Alle Sendungen überspielt man auf moderne Bild- und Tonträger. So wächst ein Service, den viele Radio- und TV-Stationen, aber auch Vereine, Studenten, Wissenschaftler oder Lehrer nutzen. Der Hessische Rundfunk will die einstige „Hansi Biebl“-Band der DDR live, Kindergärtnerinnen fragen nach alten Sandmännchen-Aufnahmen – und wer Bonbons aus der TV-Geschichte sucht, wird gleichfalls fündig. Zum Beispiel die erste TV-Ansage der DDR von 1952: „Von heute ab kommt Abend für Abend das Leben unserer Republik über den Äther in ihr Heim und in den Kulturraum ihres Betriebes.“ CS

Das Archiv veranstaltet zwei Führungen am Freitag, 5. Dezember, 15 Uhr und Freitag, 12. Dezember, 13 Uhr, für jeweils 20 Interessenten (siehe: So melden Sie sich an).

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