zum Hauptinhalt

Berlin: Klassenreise in die Vergangenheit

Bis vor kurzem, sagen die Schülerinnen aus Mecklenburg-Vorpommern, hatten sie keine Ahnung, dass der 27. Januar ein besonderes Datum ist.

Bis vor kurzem, sagen die Schülerinnen aus Mecklenburg-Vorpommern, hatten sie keine Ahnung, dass der 27. Januar ein besonderes Datum ist. Der Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, 1945? Davon hörten sie zum ersten Mal, als die Einladung von der Konrad-Adenauer-Stiftung an ihr Gymnasium in Kühlungsborn an der Ostsee kam. Und auf einmal sei der 1996 von Bundespräsident Herzog ausgerufene Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus ein großes Thema geworden. "Es gab echt Streit um die Plätze, und dann haben wir gelost", sagt eine 17-Jährige.

Die CDU-nahe Adenauer-Stiftung lud Jugendliche aus ganz Deutschland zu einem "Denktag" nach Berlin ein. Ein paar Stunden lang sollten sie jüdische Berliner Künstler und Autoren kennen lernen, Filme gucken - und diskutieren. Er hätte nie gedacht, dass jiddische Lieder - gesungen von Jalda Rebling - so schön sein könnten, sagt ein Schüler aus Thüringen. Zwei Jugendliche aus Hamburg sind fasziniert von einem Dokumentarfilm, für den vier Mädchen Überlebende des KZ Ravensbrück befragt haben: "Diese persönlichen Kleinigkeiten, die ihnen geholfen haben zu überleben, eine Weihnachtsfeier, Solidarität unter den Frauen." So intensiv würden sie auch gerne mit Zeitzeugen sprechen, sagen die Zwölftklässler.

Jetzt sitzen sie in einer Diskussion mit dem Berliner Filmproduzenten Artur Brauner. Die Mädchen kommen nicht dazu, dem Holocaust-Überlebenden eine Frage zu stellen. Zwei ältere Herren melden sich vehement zu Wort. Wieso konnte Brauner seinen ersten Spielfilm, "Morituri", 1947 ohne Lizenz drehen? Derselbe Mann hatte schon den Schriftsteller Rafael Seligmann gefragt, wie "Menschen einer bestimmten Religion in Deutschland immer in bestimmte Positionen kommen"? Der zweite ältere Herr fordert Brauner auf, sich in Israel für die verfolgten Palästinenser einzusetzen. Die Öffentlichkeit sei nun mal auch eingeladen gewesen, sagt eine Stiftungs-Sprecherin, da könne man nichts machen. Enttäuscht machen sich die Schülerinnen hinterher in ihr Jugendhotel auf. "Schlimm, diese Selbstdarsteller", finden auch Schüler aus Thüringen.

Bei einer Diskussion mit Seligmann, einem CDU-Politiker und einem Vertreter der israelischen Botschaft sei es kaum anders gewesen. Die Erwachsenen hätten sich selbst dargestellt und "sehr oberflächlich" argumentiert, sagen die Schüler. Eine hat sich gemerkt: "Man soll die Last der Vergangenheit nicht vergessen und trotzdem die Lust auf die Zukunft nicht verlieren."

Ein Dutzend Jugendlicher hat schon bald keine Lust mehr, zuzuhören. Sie hocken sich ins Foyer, um untereinander zu quatschen. Das bringe doch nichts, sagen die Jungs aus Hohenschönhausen. Sie seien sowieso nicht freiwillig mitgekommen. Ein Praktikant der Adenauer-Stiftung und eine junge Frau, die ein jüdisches Internet-Portal vorgestellt hat, kommen dazu. Das war eine gute Diskussion, sagt hinterher eine Schülerin: Über den Sinn eines solchen Denktages und warum es für Kinder aus Kühlungsborn spannender ist, dafür nach Berlin zu kommen, als für Schüler aus Hohenschönhausen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false