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Berlin: Klaus Landowsky: "Man reibt sich immer an den Jroßen und Juten"

An der Kleidung macht Klaus Landowsky nie Abstriche. Schwarzer Anzug, rote Krawatte.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

An der Kleidung macht Klaus Landowsky nie Abstriche. Schwarzer Anzug, rote Krawatte. Das ist auch sein politisches Programm. So schreitet er am Mittwochabend durch das geräumige Hinterzimmer der Kneipe in den Arminius-Markthallen, die Arme über dem Kopf zur Siegerpose verschränkt. Ein breites Lachen, auf dem Gesicht hält sich hartnäckig ein Rest von Urlaubsbräune. Nur die dunklen Ringe unter den Augen und ein bitterer Zug um den Mund verraten, dass der CDU-Fraktionsvorsitzende schwere Tage hinter sich hat.

Ihre Meinung ist gefragt: Soll CDU-Fraktionschef Landowsky von seinem politischen Amt zurücktreten?

Landowsky soll reden, beim traditionellen Politischen Aschermittwoch des CDU-Ortsverbandes in Moabit. Wenn es noch Arbeiterviertel gibt in Berlin, dann dort, an der nördlichen Peripherie des neuen Hauptstadtbezirks Mitte. Hoher Ausländeranteil, hohe Arbeitslosigkeit. Dort ist die Union nicht bürgerlich, sondern sozialkonservativ. Trotzdem kommt Landowsky im feinen Tuch. Wenn der CDU-Mann vor dem einfachen Volke steht, macht er andere Zugeständnisse. Er berlinert dann gern. Sagt "icke" und "jerne" und gibt zu bedenken, "dass nicht nur Intellektuelle denkende Menschen sind."

Aber bevor er redet, sitzt er am Tisch neben dem provisorischen Rednerpult, schaut auf die Schmuckteller und Fotos und den "Armen Poeten" an den Wänden. Er schaut in die Runde, wo hundert Menschen sitzen, die Salate essen, rauchen und Schultheiß-Bier trinken. Landowsky trinkt Wasser. Er ist angespannt; mehr noch, er ist nervös. Der Adamsapfel springt auf und nieder, und er fingert an seinem Manuskript herum. Atmet tief durch. Das ist kein leichter Auftritt.

"Schlau war die Nummer nicht"

Vor ein paar Tagen wurde noch erwogen,die Veranstaltung ausfallen zu lassen. Aber Landowsky wollte nicht kneifen. Nun wartet er auf seinen Auftritt, nervös wie ein Rennpferd vor dem Start. Am Podium bittet er, da noch Zuhörer nachdrängen: "Lassen Sie uns alle ein bisschen zusammenrücken; wir gehören doch alle zusammen." Die Kleinen hätten die CDU groß gemacht, er hätte schon den Bauskandal der achtziger Jahre ohne Blessuren überstanden und er bekenne offen, einen Fehler gemacht zu haben und sei nur noch von fehlerfreien Menschen umgeben. Die Pointe sitzt, das Publikum lacht.

Noch spricht der Redner hastig, so als hätte er Angst, nicht alles sagen zu können, was am Aschermittwoch zu sagen ist. "Mir tut es wahnsinnig leid, dass meine Partei so unter der Sache zu leiden hat", ruft er in den Raum. "Schlau war die Nummer nicht." Warum ausgerechnet an dieser Stelle ein Tusch aus dem Wandlautsprecher quillt, ist nicht zu erklären. Aber es erheitert die Zuhörer, allmählich redet sich der Redner warm und die Gesten wirken befreiter. Weit holt er aus, die Arme schwenken nach links und rechts, nach unten und oben, er sticht mit dem Zeigefinger in die Luft und fasst sich mit beiden Händen an die Brust. Mal stützt er sich nach links aufs Podium, mal nach rechts, dann wirft er sich wieder in Pose mit dem Blick nach vorn.

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"Ratschläge sind auch Schläge", sagt Landowsky. "Man reibt sich immer an den Jroßen und Juten", sagt er auch. "Da muss man durch", das weiß er. "Ich habe selbst mal auf dem Bau gearbeitet", verrät er den Leuten, und die ersten Schweißperlen schimmern auf der Stirn. Jetzt hat er die richtige Betriebstemperatur. Reden, das ist für den CDU-Fraktionschef ein Sport. Profisport. Jetzt hat er alle eingefangen und in den Bann geschlagen. Kaum einer von denen, die hier sitzen, kann wissen, dass Landowsky fast nur Redewendungen und Schmährufe, Anekdoten und politische Spitzen verwendet, die er schon oft zum Besten gab. Lange eingeübt und ausgefeilt durch ständige Wiederholung. Dann fällt ihm doch etwas Neues ein: "Die Großwildjagd ist abgeblasen, die Geier können wieder in ihre Horste fliegen."

Das macht Spaß! Man prostet sich zu und zieht kräftig an den Zigaretten. Die Leute sind nun reif für das Standardprogramm, für die harten Sachen. Landowsky erklärt, warum er nicht hinschmeißen will. Na, um dem Eberhard Diepgen zu helfen, die schweren Jahre bis 2004 zu überstehen. Die SPD: soll zur Sacharbeit zurückkehren. Die Grünen: sind out. Die PDS: eine Horrorvision. Da meldet sich unangemeldet ein Mann, der schon etwas bierseelig ist. "Ick wäre wirklich jerne Kunde in deiner Bank." Das überrascht Landowsky. Was soll er sagen? Schnell fängt er sich und strahlt, vermeidet aber das vertrauliche Du. "Da müssen wir feste arbeiten, dann klappt das."

Die Rede ist zu Ende. "Ich stehe auch in Zukunft zur Verfügung, vielen Dank!" Das Hinterzimmer tobt, Landowsky ist zufrieden. Er weiß, wie er wirkt und was er tun muss, um so zu wirken. Er drängelt sich durch die Reihen und schüttelt Hände, geht zum runden Tisch in der stillen Ecke. "Ein Bier will ich noch trinken." Und im Abgeordnetenhaus, redet er da auch? Fast als wäre es ihm peinlich, sagt er leise: "Aber nein." Denn im Parlament wird über ihn geredet.

"Ich brauche kein Mitleid"

Da sitzt er, am Donnerstagnachmittag, still in der ersten Reihe des Plenarsaals, liest Presseberichte und Drucksachen, während die Opposition spricht. Mal nickt Landowsky, mal schüttelt er heftig den Kopf. Setzt die Brille auf und wieder ab. Ruft: "Sie Dreckschleuder" und: "Ich brauche kein Mitleid." Zuckt mit den Schultern, applaudiert sparsam den eigenen Leuten, die reden dürfen. Vom SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit, der beinhart gegen Landowsky polemisiert, wendet er sich ab nach dessen Rede. Leicht angewidert. Er ist einsam. Er ist wehrlos. Das ist die zweite Parlamentssitzung, in der er nicht reden darf. Das muss schrecklich sein für Landowsky.

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