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Kleidung: Was die Käufer zum Marken-Verbot sagen

Neues Markenbewusstsein: Wie Kunden von Labels, die bei Rechten beliebt sind, auf die Weisung der Berliner Polizei reagieren.

„Ich finde diese Klamotten topedel, und sie sind schön retro“, sagt Stephan Tahy und dreht sich im blauen Langarmshirt vor dem Spiegel. Dass Berlins Polizeichef seinen Zivilbeamten verboten hat, im Dienst Kleidung der Marke Fred Perry zu tragen, weil sie wegen des Lorbeerkranzlogos unter Neonazis als beliebt gilt – dieser Linie will der Tourist nicht folgen: „Ich habe damit politisch nichts am Hut, und ich lasse mich durch diesen Nimbus nicht schrecken.“ Eine klare Ansage im „Fred-Perry-Premium-Store“ an der Neuen Schönhauser Straße 10 in Mitte.

Die Marke habe der Tennisspieler Fred Perry gegründet, der als erster Engländer Wimbledon gewann, sagt Axel Mosch, zuständig für die vier Läden in Deutschland und den Niederlanden. Nachdem Neonazis den – von der Wimbledon-Medaille abstammenden – Lorbeerkranz als Siegessymbol adaptierten, habe sich das Unternehmen bereits mehrfach gegen den Verkauf in der rechten Szene eingesetzt, sagt Mosch. Das Mitarbeiterteam sei multikulturell, gut unterrichtet in der Firmengeschichte und könne den Kunden erklären, dass Skinheads nicht automatisch Nazis seien. Die Kunden würde die Polizeidirektive „zu 99 Prozent“ nicht tangieren.

„Ich mache mich von solchen Weisungen nicht abhängig“, sagt auch Kundin Helga Bellmann, die ihrem Sohn gerade ein Paar Fred-Perry-Schuhe spendiert. „Wissen Sie was? Mein Vater ist im KZ zum Tode verurteilt worden“, sagt die 52-jährige Hamburgerin, „aber deswegen Kleidung boykottieren, die Rechte an sich reißen? Ich finde es eher befremdlich, wie ein Vorgesetzter sich in einer Demokratie in die Kleidung einmischt. Dürfen Beamte jetzt auch keine Che-Guevara-T-Shirts tragen?“ Ihr Sohn Carlos ist „schon von Freunden auf die Marke angesprochen worden“, will sich aber dadurch nicht vom Kauf abbringen lassen.

Jan Schubert, 37, auf Einkaufstour im KaDeWe, sieht das anders: Labels würden etwas transportieren. Von der neuen Kleiderordnung wusste er nicht, sagt er an den Auslagen mit Ben-Sherman-Artikeln, deren Logo Neonazis gefällt. „Erschreckend, dass Rechte immer mehr für sich besetzen. Dann darf man sich die Sachen jetzt also nicht mehr angucken ...“

Derweil sagt Stephan Tahy bei „Fred Perry“, dass seine Frau ihm schon mal wegen der Marke ins Gewissen rede. Den Pulli lässt er nur zurücklegen – aber wegen des Preises. Annette Kögel

Annette Kögel

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