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Das Modell des Zoo-Palasts sieht schon ziemlich fertig aus.

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Klein-Berlin: Die Hauptstadt wird zum Modell

Unterm Fernsehturm ist Berlin bald im Maßstab 1:24 zu sehen. „Little Big City“ entsteht derzeit in London. Ein Werkstattbesuch.

Laute Technomusik tönt aus dem Industriegebäude im Londoner Stadtteil Greenwich. Es ist ein grauer, für diese Jahreszeit viel zu kalter Morgen, zumindest kein Klischeeregen. Hier, mitten in London, wächst ein neues Berlin. Eigentlich ist es eine alte Version der deutschen Hauptstadt, genauer: Berlin in der Weimarer Republik. Im Innern der Halle wird geschweißt und gesägt. Jugendstilbauten, Brücken und Parks entstehen hier – in klein.

Allerdings nicht die Art winziger Miniatur, wie man sie von Modelleisenbahnen kennt: Die Modelle haben den Maßstab 1:24, größere Gebäude sind gut einen Meter hoch, man kann durch Fenster und Löcher in den Außenwänden in sie hineinblicken. Außerdem stehen sie auf einer erhöhten Fläche, die gleichzeitig die Verbindung zwischen den Gebäuden bildet; Straßen, Grünflächen und Bäume schlängeln sich durch die künstlichen Stadtteile.

Geschichtsunterricht unterm Fernsehturm

Diese Miniaturwelten reisen dann von London nach Berlin. Vom Sommer an sollen sie am Fuße des Fernsehturms, in den ehemaligen Räumlichkeiten eines Fitnessstudios, zu sehen sein. „Little Big City Berlin“ heißt die Touristenattraktion des britischen Unterhaltungskonzerns Merlin Entertainment, zu dem in Berlin auch Madame Tussauds Unter den Linden, Legoland am Potsdamer Platz sowie das Sea Life Center und The Dungeon unweit des Alexanderplatzes gehören.

Die Ausstellung soll aber nicht nur Touristen anziehen, sondern als ergänzender Geschichtsunterricht für Berliner dienen. Denn außer der Weimarer Republik entstehen noch andere Epochen: Von der Gründungszeit Berlins über die Industrialisierung, den Zweiten Weltkrieg und die geteilte Stadt bis heute wird alles in London nachgebaut.

James Morrow, Mitarbeiter von Little Big City, am Potsdamer Platz
James Morrow, Mitarbeiter von Little Big City, am Potsdamer Platz

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Historisch nicht ganz korrekt, sondern verdichtet, stehen bekannte Bauten nebeneinander: Der alte Wintergarten, der an der Friedrichstraße stand, grenzt an das einstige Kempinski-Gebäude vom Kurfürstendamm. Die Häuser selbst werden aber so nah an der Realität gebaut wie möglich. Historische Fotos dienen, soweit vorhanden, als Vorlage für die Modelle.

Deren Rohbau ist meist aus Holz, filigrane Details kommen aus dem 3-D-Drucker. Danach wird jedes Haus, jeder Fensterrahmen, jedes Ornament von Hand bemalt. „Aufwendigere Gebäude brauchen bis zu sechs Wochen vom Zeichnen bis zur Fertigstellung“, sagt James Morrow, einer der Londoner Mitarbeiter.

Er führt durch die Werkstatt. Zwischen Pinseln, Kleber und Sprühdosen steht, halb von Plastik verhüllt, der Palast der Republik mit seiner unverkennbaren, gold-glänzenden Fassade, ganz ohne Asbest. Seinen Spitznamen „Erichs Lampenladen“ haben die englischen Mitarbeiter allerdings noch nie gehört.

Eine Mitarbeiterin legt ein paar Schritte weiter gerade einen Parkweg an: Kleber, Minischotter, Kleber, Schicht für Schicht, bis kein Untergrund mehr zu erkennen ist. Eine andere Modellbauerin bemalt gerade die Oberbaumbrücke mit einem sehr feinen Pinsel.

Die roten Backsteine müssen alt und dreckig aussehen. In einem kleinen Raum mit sieben 3-D-Druckern ist zu sehen, wie langsam Stuck für die Häuser wächst. Auch Figuren hier. Gerade liegen sowjetische und Nazi-Soldaten friedlich nebeneinander. In der fertigen Attraktion werden sie, mechanisch bewegt, durch das Berlin der vierziger Jahre marschieren.

Das Leben ist eine Puppenstube: Alt-Berlin en miniature.
Das Leben ist eine Puppenstube: Alt-Berlin en miniature.

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James holt einen Karton mit weiteren, nicht mechanischen Figuren hervor. Auch sie werden Teil der Miniaturwelt. Zwischen den Passanten im Karton, die zur Epoche „Geteilte Stadt“ gehören und typische Achtziger-Jahre-Klamotten tragen, blitzt ein bekanntes Gesicht hervor: James Bond.

Geschichten von Zeitzeugen

Außerdem auffällig ist ein Mann mit vergipstem Bein auf Krücken. Es handelt sich um Karl-Heinz Richter, ein DDR-Flüchtling, der sich bei der missglückten Flucht 1964 beide Beine brach. Richter ist einer der Zeitzeugen, die an dem Projekt mitgearbeitet haben und für die Geschichten einiger der Figuren Modell standen.

Seit mehr als zwei Jahren arbeitet die Firma Merlin an dem Projekt, auch Historiker waren beteiligt. So ganz dröger Geschichtsunterricht soll die fertige Welt dann aber nicht werden. Und so dürfte der Besuch in „Little Big City“ mehr Event als Bildungstrip sein. Mithilfe von Animationen und Projektionen sollen die Figuren lebendig wirken. Da ist zum Beispiel der berühmte Zauberer Harry Houdini, der in seinem Wassertank Entfesselungskunststücke vorführt. Oder die Hiller-Girls, die im Varieté der 1920er tanzen.

Einige Meter weiter ist es bereits 1989, die Mauer fällt und tausende Minimenschen strömen nach West-Berlin, begleitet von einem großen Feuerwerk. Natürlich darf David Hasselhoff nicht fehlen – den Besuchern bleibt auch das letzte Detail nicht erspart.

Der Werkstatt-Besuch fand im Rahmen einer Pressereise statt, zu der der Veranstalter eingeladen hatte.

Weitere Informationen unter www.officiallittlebigcity.com/berlin

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