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Berlin: Kleiner Goldrausch

Wegen der Bankenkrise steigt die Nachfrage Doch sicher ist auch das Edelmetall als Anlage nicht

„Top-Verzinsung“ und „volle Transparenz“ verspricht die Werbung im Fenster der Citibank am Wittenbergplatz. Bei der Berliner Volksbank, eine Ecke weiter, steht „Für unsere Kunden nur das Beste“ geschrieben. Und „sicher ist sicher“. Aber was heißt schon sicher?

Eine Finanzkrise lässt sich noch schwerer erkennen als beispielsweise Gammelfleisch im Döner oder Möbel aus Raubbau-Tropenholz. Aber man kann sie spüren. Am Hardenbergplatz zum Beispiel, wo mehr Menschen als sonst spontan bei der Verbraucherzentrale vorbeischauen und die Beratungstermine gefragt sind wie selten. Peter Lischke, Spar- und Anlageberater des Vereins, berichtet von bis zu 50 Anrufen pro Telefonsprechstunde statt des sonst üblichen Dutzends. Oft wollten die Leute für ihre konkrete Anlage wissen, wie es um deren Absicherung bestellt sei. Angela Merkels Sparer-Garantie habe die einen beruhigt, andere aber eher verunsichert, weil sie den Ernst der Lage zeige. Die Schlussfolgerungen der Leute seien also ebenso unterschiedlich wie ihr Informationsstand. Klar ist nur: Guter Rat ist gefragt.

Ein paar Ecken weiter kommt gerade ein Kunde aus einer Bankfiliale. „Ich gehöre zu den Leuten, die das alles nicht richtig durchschauen und darauf vertrauen, dass es gut gehen wird“, sagt er. Die von der Kanzlerin erklärte Garantie finde er zwar einerseits „Quatsch“, weil es ja im Extremfall um mehr als einen Bundeshaushalt ginge, aber andererseits sei sie doch ein klares Signal. Dann sagt er noch, es sei ihm recht, dass er sein Geld auf drei verschiedene Banken verteilt habe, „obwohl die Verluste bei mir ohnehin nicht allzu groß wären“, und schwingt sich aufs Rad. Die Bankerin drinnen am Schalter schaut ihm durchs werbungsbeklebte Schaufenster hinterher. Alles sicher, alles top.

Wirklich? Sie dürfe nichts sagen, sagt die Schalterfrau, aber wenn man sie so frage – ja, doch, seit Mitte letzter Woche erlebe sie die Verunsicherung. Immer mehr Kunden fragten nach Gold als krisensicherer Anlage, und Einzelne hätten sogar schon ihr Konto leergeräumt, nach dem Motto: Unterm Kopfkissen ist es doch am sichersten. Ein Gespräch nehme manchen die Angst, aber einige seien von der Boulevardpresse so verunsichert worden, dass Reden wenig helfe.

Ein älterer Kunde hat sich mit seiner persönlichen Wahrheit arrangiert: „Wer Geld hat, sollte ein Sparkonto haben“; Merkels Wort sei Sicherheit genug. „Und wer zu viel Geld hat, kann Aktien kaufen.“

An den Finanzmärkten kostet die Unze Gold am Dienstagnachmittag knapp drei Prozent mehr als am Morgen und zehn Prozent mehr als vor einem Monat. Ein Kilo Edelmetall für inzwischen über 20 000 Euro – der glänzende Tipp in diesen Zeiten? Nachfrage im Leihhaus am Wittenbergplatz, Werbeslogan: „Die kluge Entscheidung“. Ja, es gebe viele Kaufinteressenten, sagt die Frau am Tresen. Und immer weniger Verkäufer, „weil die glauben, dass sie nächste Woche noch mehr Geld dafür bekommen“. Mehr mag sie nicht sagen; nur noch einen, schönen Satz: „Bei uns gibt es keine Krise, denn wir führen keine Konten.“

Allzu groß scheint der Goldrausch aber nicht. Zum einen war das Edelmetall vor Monaten noch teurer als jetzt, und zum anderen ist der zinslos im Safe liegende Barren auch nicht nach jedermanns Geschmack. „Es gibt vereinzelte Nachfragen, vor allem von älteren Kunden“, heißt es bei der Sparkasse. Aber nach einem Beratungsgespräch habe sich das Thema meist erledigt. Auch Lischke von der Verbraucherzentrale rät eher davon ab: Weil Gold meist in Dollar abgerechnet werde, handele man sich damit zwangsläufig ein Währungsrisiko ein. Ungetrübter Glanz ist nicht zu haben. Also abwarten und so ruhig wie möglich schlafen – ob mit oder ohne Geld unter dem Kopfkissen. Stefan Jacobs

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