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Berlin: Klinik verordnet Ärzten die Stechuhr

Unfallkrankenhaus lässt Arbeitszeiten elektronisch erfassen – aber mit Höchstgrenze/Ärztevertreter fordern 1600 neue Stellen zur Entlastung

Von Ingo Bach

Mit dem Beginn der Frühschicht werden ab heute die Arbeitszeiten der Ärzte und Pfleger im Unfallkrankenhaus Marzahn (UKB) elektronisch erfasst. Damit ist das UKB in Berlin die erste Klinik, die Stechuhren für ihre Mitarbeiter einführt. Hintergrund ist die Debatte um die überlangen Arbeitszeiten der Mediziner, die teilweise über 30 Stunden am Stück praktizierten.

Nun werde endlich transparent, wie hoch die Belastung der Krankenhausmediziner tatsächlich sei, heißt es bei Krankenkassen wie von Ärztevertretern. Letztere hatten immer wieder die Überlastung der Klinikärzte beklagt. Manche von ihnen kommen mit regulären Diensten und den sich häufig anschließenden Bereitschaftszeiten auf über 30 Stunden. Die Gefahr, dass übermüdete Mediziner Fehler machen, werde immer größer. Deshalb forderte der Deutsche Ärztetag bereits im Mai 2002 die flächendeckende Einführung von Stechuhren, um Daten über die Arbeitsbelastung der Ärzte zu sammeln.

Erfasst wird im Unfallkrankenhaus aber nicht die gesamte Arbeitszeit. Die Stechuhr schaltet nach einer täglichen Höchstarbeitszeit von 10,75 Stunden ab. Das ist die gesetzlich erlaubte maximale Arbeitszeit für Mediziner. Auf die Ärzte soll damit Druck ausgeübt werden, ihr Arbeitspensum in dieser Zeit zu erledigen. „Wir heißen Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz nicht gut“, begründet der Verwaltungsdirektor des UKB, Rudolf Kubath, die Beschränkung. Wenn jemand ohne Anordnung länger arbeite, dann müsse er mit seinem Chefarzt klären, ob diese Überstunden abgegolten werden. Auch die Bereitschaftsdienste wird nicht registriert.

Die Leitung des Unfallkrankenhauses erwartet bessere Daten über die tatsächliche Belastung ihrer Mitarbeiter. Durch das System werde offenbar, welche Abteilungen Ärzte bis an die maximal mögliche Grenze beschäftigten. Mit denen werde man diskutieren müssen, wie man die Arbeit besser organiseren kann. Mehr Ärzte einzustellen, dafür reiche das Budget jedoch nicht.

Für die Ärztekammer ist der Versuch nur ein erster Schritt. Dass das UKB-System die Überstunden und Bereitschaftsdienste nicht erfasse, sei ein großes Manko, sagt der Berliner Ärztekammerpräsident Günther Jonitz. Trotzdem sei das Unfallkrankenhaus auf dem richtigen Weg. Zustimmung kommt auch von den Krankenkassen, denen Ärztevertreter und Krankenhäuser immer neue Horrorzahlen um die Ohren hauen und die nun auf überprüfbare Daten hoffen. „Die bisherigen Kalkulationen sind horrend", sagt der Chef der ostdeutschen Betriebskrankenkassen, Axel Wald. So hat die Berliner Ärztekammer ausgerechnet, dass in Berliner Kliniken 1600 zusätzliche Arztstellen nötig wären, wenn ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2000 in deutsches Arbeitsrecht umgesetzt würde. Danach sind Bereitschaftsdienste als normale Arbeitszeit zu behandeln.

Unter den rund 250 Ärzten des UKB ist das System umstritten. Zum einen stehe der Ärzt nun unter einem Rechtfertigungszwang, wenn er länger als die Höchstarbeitszeit in der Klinik war – was auf Grund der enormen Arbeitsbelastung in einigen Bereichen keine Ausnahme sei. Zum anderen werde auch das Problem der Bereitschaftsdienste nicht geklärt. Nur die Zeit, die während des Dienstes tatsächlich gearbeitet wurde, zählt als Arbeitszeit - der Rest gilt als Ruhephase.

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