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Berlin: Kliniken melden SOS Ratlosigkeit nach Dienstzeit-Urteil

Krankenhäuser suchen Arbeitszeitmodelle / DAK bietet 300000 Euro für neue Stellen

Berlins Klinikärzte rätseln, wie sie künftig ihre Dienstpläne aufstellen sollen. Und die Klinikleitungen rätseln, woher sie Geld für neue Ärzte nehmen sollen. Aber nötig sind die Gedanken, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Bereitschaftsdienste künftig als Arbeitszeiten gelten und dass Ärzte nicht länger als zehn Stunden am Stück arbeiten dürfen. Also muss es neue Dienstpläne und neue Stellen geben.

Fest steht bisher nur, dass es die eine Lösung für die Probleme, die nun auf die Krankenhäuser zukommen, nicht gibt. Schon jetzt unterscheiden sich Dienstpläne von Abteilung zu Abteilung. Bislang galt, dass ein Arzt nach einem Acht-Stunden-Tag weitere 16 Stunden Bereitschaftsdienst leistet und danach 24 Stunden frei hat. Von der Bereitschaftszeit sollte er 49 Prozent, also etwas weniger als acht Stunden, arbeiten und sich acht Stunden tatsächlich ausruhen. In der Praxis arbeiten viele Bereitschaftsärzte allerdings oft während der gesamten Zeit. Wie viele Bereitschaftsärzte anwesend sein müssen, hängt von der Abteilung ab.

Im Unfallkrankenhaus Marzahn zum Beispiel leisten von den 189 Ärzten nachts 17 Bereitschaftsdienst in der Klinik. 20 Ärzte sind außerhalb des Hauses in Rufbereitschaft. Der ärztliche Direktor, Axel Ekkernkamp, schlägt vor, mehr Bereitschaftsdienste in Dienste mit Rufbereitschaft umzuwandeln. Bei der Rufbereitschaft zählen nur die Stunden als Arbeitszeit, für die ein Arzt in die Klinik gerufen wird. Eine solche Umwandlung sei allerdings nur in den Bereichen möglich, in denen keine lebensbedrohlichen Krankheiten oder Unfälle behandelt werden, zum Beispiel bei den Hals-Nasen-Ohrenärzten.

Etliche Krankenhäuser denken darüber nach, die Ärzte in den Abteilungen mit lebensgefährlichen Krankheiten in Schichtdiensten arbeiten zu lassen. „Aber wie soll man die Schicht wechseln, wenn die Operation länger dauert“, fragt Almut Tempka, Oberärztin in der Unfallchirurgie im Virchow-Klinikum. Sie glaubt nicht, dass sich das EuGH-Urteil umsetzen lässt – auch weil „nirgendwo die Finanzierung gesichert“ sei.

Die Kliniken hätten Spielraum, teilt dagegen die AOK mit: Sie müssten nur ihre Überkapazitäten abbauen, dann sei Geld übrig für neue Stellen. Wenn ein Krankenhaus nachweist, dass es ohne neue Ärzte nicht geht, kann es dennoch auf Kassenhilfe hoffen. Die Krankenkassen haben wegen einer älteren gesetzlichen Verpflichtung Rücklagen für die Verbesserung von Arbeitszeiten in Krankenhäusern gebildet. Die DAK kann 2003 und 2004 je 300000 Euro zur Verfügung stellen.

Die Berliner Ärztekammer hat ausgerechnet, dass die Umsetzung des Urteils die Kliniken 100 Millionen Euro kostet.

Claudia Keller

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