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Berlin: Knake-Werner lehnt soziales Pflichtjahr ab

Wohlfahrtsverbände unterstützen die Sozialsenatorin gegen Vorschläge aus den Ländern

Die Forderungen der Ministerpräsidenten Peer Steinbrück (SPD) und Wolfgang Böhmer (CDU), die Wehrpflicht abzuschaffen und anstelle des Zivildienstes ein soziales Pflichtjahr für alle Jugendlichen einzuführen, stößt in Berlin auf Ablehnung. „Man kann einen Zwangsdienst nicht durch einen anderen ersetzen“, sagte Sozialsenatorin Heidi Knake- Werner (PDS) gestern. Sollten Wehr- und Zivildienst tatsächlich, wie jetzt diskutiert, bis 2008 wegfallen, „dann müssen die eingesparten Mittel vielmehr in den Wohlfahrtsbereich umgeschichtet werden“, sagte Knake-Werner. Auch die Wohlfahrtsverbände halten nichts davon, jungen Leuten zwangsweise soziale Arbeit zu verordnen. „Wenn die Menschen etwas machen müssen, was ihnen nicht liegt, wird das zu einer Qualitätsverschlechterung im Sozialwesen führen“, sagte Hans-Wilhelm Pollmann, Sprecher der Liga der Wohlfahrtsverbände in Berlin.

In Berlin arbeiten derzeit 3384 Zivildienstleistende in Altenheimen, Behinderteneinrichtungen, Krankenhäusern, in der häuslichen Pflege oder auch in Kitas. 2167 von ihnen sind in Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege beschäftigt, die übrigen packen etwa in Krankenhäusern oder auch beim Landessportbund an, sagt Pollmann.

Unabhängig davon gibt es die Helfer des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) – es wurde in Deutschland 1964 eingeführt. Die Einsatzfelder der „FSJler“ sind ähnlich wie die der Zivis – mit einem Unterschied: Es sind zu 80 Prozent junge Frauen, die sich freiwillig um einen Job kümmern. Die Zahl der 16- bis 27-Jährigen, die das Soziale Jahr ableisten, beträgt in Berlin 305 – Tendenz steigend. Ihre Arbeit würde Heidi Knake-Werner gern aufwerten. „Wenn sich jemand auf diese Weise engagiert, sollte das auch beim Numerus clausus fürs Studium berücksichtigt werden“. Zudem solle das FSJ ausgebaut werden. Seit Jahren fließen indes keine Landesmittel mehr an die freien Träger, die freiwillige Helfer beschäftigen. Stattdessen zahlt zum Beispiel ein Pflegeheim, das einen FSJler beschäftigt, seine monatliche Aufwandsentschädigung von 255 Euro selbst. Die gleiche Summe muss es an den Wohlfahrtsverband entrichten, der die FSJler koordiniert, die Ausbildungsseminare organisiert und die Sozialleistungen abführt. Einen kleinen Zuschuss gibt es aus dem Bundesjugendplan des Bundesjugendministerium, berichtet Liga-Sprecher Hans-Wilhelm Pollmann. Wenn der Bund ein Zwangsjahr einführen will, müsse aber womöglich das Grundgesetz geändert werden, „auch das ist ein Hindernis“.

Auch bei anderen sozialen Verbänden in Berlin stößt der Vorschlag eines staatlich verordneten sozialen Einsatz auf Unverständnis. Susanne Wedding, beim Deutschen Roten Kreuz Koordinatorin für 80 FSJ-Helfer, ist davon überzeugt, „dass man so einen knallharten Job weder einem Jugendlichen noch den Menschen, die sie dann betreuen müssten, gegen den eigenen Willen zumuten kann“. Unterdessen hat Oswald Menniger, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, eine ganz andere Hoffnung, was den Ausgleich der Zivi-Jobs angeht: „Es gibt so viele Leute, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Man muss sie nur mobilisieren.“

Annette Kögel

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