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Das archäologische Zentrum am Petriplatz wird nun doch nicht gebaut.

© Doris Spiekermann-Klaas/TSP

Knapp bei Kasse: Rot-Rot begräbt Pläne für die historische Mitte

Der Ausbau des Märkischen Museums und das archäologische Zentrum am Petriplatz müssen warten – in der Finanzplanung ist dafür nicht genug Geld vorgesehen.

Die Finanzplanung für die kommenden Jahre steht – und für einige sichergeglaubte Kulturprojekte ist kein Geld vorgesehen. Den Rotstift hat der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) zum Beispiel an der Erweiterung des Märkischen Museums angesetzt. Das vor drei Jahren durch einen Wettbewerb entschiedene Bauprojekt wird nun wohl bis auf Weiteres auf Eis gelegt. Geplatzt ist außerdem die Finanzierung des archäologischen Zentrums am Petriplatz. Und auch für das geplante Schutzdach, das die ausgegrabenen Mauern des mittelalterlichen Rathauses am Petriplatz vor Witterungsschäden bewahren soll, sind keine Mittel eingeplant.

Für Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ist das ein schwerer Schlag: Eine der wenigen visionären Projekte aus ihrem Hause ist damit vorerst Makulatur. Mit dem Bau des archäologischen Zentrums über den Grundmauern der Lateinschule am Petriplatz sollte das überwältigende Interesse der Berliner und Touristen an der Historie der Hauptstadt bedient werden. Vom historischen Zentrum aus, eine der zwei Wiegen der Doppelstadt Berlin-Cölln, sollten archäologische Rundgänge die Altstadt erschließen. Sie hätten durch das Nikolaiviertel geführt, zum Alten Rathaus, zur Marienkirche und zum Humboldtforum. Auch dort sollten archäologische Fenster entstehen und Einblicke in die Geschichte der Stadt erlauben – Berlin wäre um eine Attraktion reicher.

Ein Sprecher von Senatorin Junge- Reyer bestätigte: „Die Kofinanzierung des archäologischen Zentrums ist nicht in den Haushalt aufgenommen“, so Mathias Gille. Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD), kann das nicht nachvollziehen: Eine „tolle Idee“ scheitere ausgerechnet an einem kleinen eigenen Beitrag. Denn Europäische Union und Bund hätten den allergrößten Teil des künftigen Touristenmagnets bezahlt: 15 Millionen Euro – Berlin hätte nur etwa 1,4 Millionen Euro aufbringen müssen. Hinzugekommen wäre ein Landeszuschuss für die Bewirtschaftung in Höhe von etwa 250 000 Euro jährlich. Nun verfallen viele Millionen zweckgebundener Subventionen von EU und Bund.

Schuld an allem ist die "Schuldenbremse". Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Bereits beschlossen waren Sanierung und Erweiterung des Märkischen Museums in Mitte. Vor drei Jahren hatten die Londoner Architekten Stanton Williams den Wettbewerb gewonnen. Der Senat hatte beschlossen, das benachbarte „Marinehaus“ dem Museum zuzuschlagen. Kostenpunkt: 41 Millionen Euro. Doch nun drehte Kultursenator Wowereit dem Projekt den Geldhahn zu und kürzte die Mittel von fünf Millionen Euro auf ein Zehntel: auf 500 000 Euro im kommenden Jahr und eine Million Euro im Jahr 2013 – das reicht nicht aus, um den Neubau zu realisieren, sondern allenfalls, um bereits beauftragte Planungen zu bezahlen.

„Der Umbau des Märkischen Museums ist nicht gestrichen, sondern auf der Zeitachse verschoben“, sagte Thorsten Wöhlert, Sprecher der Senatskulturverwaltung. Schuld daran sei die „Schuldenbremse“: Berlin muss bis zum Jahr 2020 sein Haushaltsdefizit abbauen und darf neue Schulden allenfalls zur Dämpfung von Konjunktureinbrüchen aufnehmen.

Unklar ist zurzeit auch, ob das Geld für die Fortsetzung der archäologischen Grabungen an einer der spannendsten Fundstätten ausreicht: am Roten Rathaus. Dort hatte das Alte Rathaus gestanden. Dessen Grundmauern lagen unter dem Pflaster der Stadt in gutem Zustand. Eigentlich sollten die Ausgrabungen nur bis Ende dieses Monats laufen. Die Archäologen würden aber gern auch noch im Oktober und im November arbeiten.

„Das ist nicht im Etat enthalten“, sagt Jörg Seegers. Er ist bei der BVG Projektleiter für den Neubau des U-Bahnhofs „Berliner Rathaus“. Der soll just an dieser Stelle entstehen, wo die Archäologen die historischen Gemäuer entdeckt haben. Die BVG hat nun eine „Ergänzungsanlage“ bei der Senatsbauverwaltung eingereicht, die die zusätzlichen Kosten für die Verlängerung der Ausgrabungen beziffert. „Wir wollen da helfen“, sagt Seegers. Woher das Geld kommen soll, weiß er aber auch nicht.

Sicher ist, dass ein Drittel der historischen Gemäuer nach derzeitigen Plänen dem Bahnhofsneubau zum Opfer fallen wird. Und Geld für ein provisorisches Dach, um die ausgegrabenen Gemäuer vor dem Roten Rathaus und am Petriplatz vor Wind und Wetter zu schützen, wurde auch nicht in den Haushalt eingestellt. „Archäologie hat keine Lobby in Berlin“, sagt ein an den Grabungen Beteiligter resigniert.

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