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Berlin: Knöllchen sind tabu

Bahn will Park-Chaos am Hauptbahnhof beseitigen Mitarbeiter haben aber keine Vollzugsgewalt

Gerd Bayer und Türk Martin sehen etwas durchfroren aus. Seit acht Uhr früh stehen sie vor dem Hauptbahnhof, Nordeingang, Europaplatz, wo ihnen der Wind kalt um die Ohren pfeift. Sie ziehen die blauen Mützen ihrer Uniformen ins Gesicht. Doch zum Aufwärmen in den Bahnhof können sie nicht gehen. Denn sie haben einen Auftrag: Sie sollen für Ordnung sorgen, und zwar vor dem Bahnhof. Bayer und Martin gehören zu den zehn neuen „Service-Mitarbeitern“ der Bahn, die seit Montagmorgen im Einsatz sind. Sie arbeiten zu zweit, in zwei Schichten, von 8 bis 18 Uhr.

Die Bahn reagiert mit dem Ordnereinsatz, der versuchsweise nur bis Ende April dauern soll, auf die chaotische Verkehrssituation am Hauptbahnhof mit seinen täglich 300 000 Besuchern. Zwar endet vor den Türen des Gebäudes die Verantwortung des Unternehmens. Doch das zuständige Ordnungsamt des Bezirks Mitte hat zu wenig Mitarbeiter, um dort zu kontrollieren. „In einem Bezirk mit 314 000 Einwohnern haben wir nur 28 Mitarbeiter im Außendienst“, klagt eine Sprecherin. „Der Hauptbahnhof gehört nicht zu ihren Prioritäten – trotz der wuseligen Verkehrsführung.“

Die Hauptbeschäftigung von Bayer und Martin besteht darin, Autofahrer auf Parkverbotsschilder aufmerksam zu machen. Zwar können sie auf der rechten Fahrbahnseite der schmalen Zufahrt zum Bahnhof eine halbe Stunde lang parken. Aber auf der linken Seite dürfen sie lediglich halten. Sprich: drei Minuten stehen und beim Auto bleiben. Bisher hatten Hunderte Autofahrer ihre Wagen dort jeden Tag einfach abgestellt und waren im Bahnhof verschwunden. Die Zufahrt war für Feuerwehrfahrzeuge versperrt, und am Wendekreis kam es wegen der Enge regelmäßig zu Staus und Wutausbrüchen. Bahnfahrer beschwerten sich, dass sie sich mit ihrem Gepäck durch die parkenden Autos kämpfen müssten.

Nun sollen Bayer und Martin durchgreifen. Sie scheinen Erfolg zu haben. Nur eine Handvoll Autos steht noch auf der Spur. Da düst ein roter Ford Fiesta heran. Ein junger Mann und seine Freundin steigen aus. Er hievt ihren Koffer aus dem Wagen und will sie zum Zug bringen. Bayer steht schon vor ihm. „Schönen Tag, hier dürfen Sie nur halten.“ Er reicht dem Mann einen Zettel, darauf: eine Wegbeschreibung zum DB-Parkhaus, das über den Tiergartentunnel zu erreichen und nur zu 50 Prozent ausgelastet ist. „Eine Viertelstunde parkt man dort gratis“, sagt Bayer, „in der Kiss-and-Ride-Zone.“ Der Mann steckt den Zettel ein: „Geht ganz schnell, bin gleich wieder da.“ Weg ist er.

Bayer versucht ihm noch zu erklären, dass ein Strafzettel 40 Euro kostet und eine Stunde im Parkhaus nur zwei Euro. Doch er darf dem Mann kein Knöllchen verpassen. Denn Vollzugsgewalt haben weder er noch Martin. Daher würde die Bahn gerne mit dem Bezirk über eine Ordnungspartnerschaft verhandeln, bei der die Verwaltung ihre hoheitlichen Aufgaben an die Bahn übergebe. Aber im Bezirksamt will man davon nichts wissen. Die Sprecherin von Mittes Bürgermeister Christian Hanke (SPD) sagte: „Wir geben unsere hoheitlichen Aufgaben nicht einfach so ab.“

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