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Berlin: Koalitionsverhandlungen: Diplomatisch: Die SPD moderiert den Streit zwischen FDP und Grünen - und dabei versteckt sie ihre eigenen Probleme

Das Schwerste war noch gar nicht angefasst, als die ersten Helden müde wurden. Beim Koalitionspoker am Sonntag plagten den stellvertretenden SPD-Chef Andreas Matthae (33) mächtige Kreuzschmerzen.

Das Schwerste war noch gar nicht angefasst, als die ersten Helden müde wurden. Beim Koalitionspoker am Sonntag plagten den stellvertretenden SPD-Chef Andreas Matthae (33) mächtige Kreuzschmerzen. Kultursenatorin Adrienne Goehler ging mit ihm gegen 22 Uhr vor die Tür, legte sich auf den Fußboden und zeigte ihm "Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur". Rückgrat ist gefragt, deshalb so viel Streit.

Die SPD mimt Gelassenheit in ihrer Vermittlerrolle, wenn sich Liberale und Grüne in den Haaren liegen. Dahinter versteckt sie ihre Probleme mit sich selbst. Wie weiland der Große Kurfürst betreibt sie Schaukelpolitik. Sie steht der FDP nahe in allem, was zur Linderung der Finanznot beiträgt. Da ist ihr die FDP als Motor willkommen. Das gilt allerdings kaum für Privatisierungen; das ist der Haken bei der SPD. In der Stadtpolitik steht die SPD bei den Grünen, lässt sich aber von den beiden Kleinen nicht provozieren.

SPD-Chef Peter Strieder leitet die Verhandlungen, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit greift ab und zu ein. Wenn es Wowereit zu bunt wird, beendet er "ideologischen" Streit. Oder er geht plaudernd durch die Reihen - hier ein aufmunterndes, dort ein beruhigendes Wort. "Einzelfallbetreuung" nennt man das. Deshalb war die SPD konsterniert, dass die Grünen mit ihren "nicht verhandelbaren Punkten" so ungeschickt vorpreschten, dass sie wieder zurückrudern mussten. Grünen-Chefin Regina Michalik war gar nicht erbaut, als ihr Matthae sagte: "Ihr Igel ohne Stacheln braucht doch nur noch zur Unterschrift zu kommen."

Auch die SPD hat mit etlichen FDP-Forderungen ihre liebe Not. So haben die Liberalen zwar Abstand von der freien Wahl der vierjährigen oder sechsjährigen Grundschule genommen, aber ihre Forderung nach mehr Klassen an grundständigen Gymnasien läuft auch nach SPD-Lesart auf die "Aushöhlung der sechsjährigen Grundschule" hinaus; da sei die rot-grüne Ideologie vor. Den Verkauf städtischer Wohnungsbaugesellschaften will die SPD auch nicht, sondern nur den Verkauf landeseigener Wohnungen an Mieter. Zum Teil lohne der Verkauf ganzer Gesellschaften nicht, da man jetzt keine guten Preise erzielen könne, heißt es hinhaltend. Gegen die Vollprivatisierung der teilprivatisierten Wasserbetriebe ist die SPD sowieso. Das gilt auch für die Privatisierung der Krankenhausgesellschaft Vivantes, der BSR und BVG. Die SPD will die Fusion von S-Bahn und BVG. Vivantes müsse erst mal auf festen Beinen stehen, wird wieder hinhaltend eingewandt. Die FDP möchte alle Unternehmen mit Landesbeteiligung auf "den Prüfstand stellen", also zum Verkauf. Da hält ihr die SPD immerfort Vorträge, dass bestehende Verträge dagegen sprechen.

Schmerzhaft, aber unabänderlich ist für die Sozialdemokraten die Überführung städtischer Kindertagesstätten an freie Träger. Klar, dass sie gemeinsam mit den Grünen auch Front gegen die Verkehrsprojekte der Liberalen machen; nicht finanzierbar, Punkt. Günter Rexrodt kann ja auch gar nicht sagen, wie er sich die Privatfinanzierung der Straße zwischen Tiergarten-Tunnel und Schöneberger Autobahnkreuz vorstellt.

Zur Bewerbung um die Olympischen Spiele 2012 sagen die Grünen Nein, zu teures Prestigeobjekt. Die SPD meint Jein: Bewerbung ja, weil kein Risiko. Erstens brauche man außer für das Olympische Dorf keine großen Investitionen, und zweitens sei nach Lage der Dinge eine europäische Stadt erst wieder 2016 dran. Fazit: Die SPD weiß gar nicht, wieso sich andere über so vieles so aufregen.

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