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Rot-Schwarze Freude. Kurz mal die Köpfe zusammenstecken: die Chefunterhändler Klaus Wowereit und Michael Müller für die SPD, Frank Henkel und Monika Grütters für die CDU.

© dapd

Koalitionsverhandlungen: SPD und CDU: Welche Partei hat sich wo durchgesetzt?

Bei den Verhandlungen haben SPD und CDU die meisten Themenkomplexe abgehandelt. Welche Partei konnte in welchem Bereichen ihre Ziele durchsetzen? Eine vorläufige Bilanz.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Freundlich schau’n die Schwarzen

und die Roten,

die sich früher feindlich oft bedrohten,

jeder wartet, wer zuerst es wagt,

bis der eine zu dem andern sagt:

Schließen wir nen kleinen Kompromiss!

Davon hat man keine Kümmernis…

Kurt Tucholskys Lied von 1919 scheint auch die Gebrauchsanleitung für den Koalitionsvertrag zu sein, den Sozial- und Christdemokraten bis zum 15. November aushandeln wollen. Nächste Woche werden noch Stadtentwicklung und Verkehr besprochen, dann sind die Sachthemen durch. Eine vorläufige Bilanz der rot-schwarzen Suche nach Kompromissen bietet sich an. Wer hat sich durchgesetzt, wer musste die größten Kröten schlucken? Und welche Streitpunkte müssen in der Schlussrunde der Verhandlungen noch abgeräumt werden?

Legt man alles auf die Waage, was von der SPD/CDU-Koalitionsvereinbarung bisher öffentlich bekannt wurde, scheint das neue Regierungsprogramm einigermaßen ausgewogen zu sein. Die großen Ziele sind erkennbar: Entwicklung von Wirtschaft und Infrastruktur, Bildung und Wissenschaft, eine weltoffene und sichere Metropole. Eine demonstrative Abkehr von der seit 2001 sozialdemokratisch dominierten Stadtpolitik wird es nicht geben. Andererseits ist es der CDU gelungen, an einigen Stellen bürgerlich-liberale Zeichen zu setzen. Am 21. November kommt es zum Schwur: Dann müssen die Delegierten von SPD und Union auf Landesparteitagen über das Verhandlungsergebnis abstimmen.

VORTEIL FÜR DIE SPD

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat mit dem Parteifreund Udo Hansen seinen Favoriten für das Amt des Polizeipräsidenten durchgedrückt. Allerdings ist der neue, umstrittene Bewerber noch nicht offiziell ernannt. Außerdem hat es Wowereit geschafft, dem künftigen Regierungspartner eine neue Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld abzuringen, die voraussichtlich 250 Millionen Euro kosten wird. Die SPD setzte sich auch mit ihrer – durch einen Volksentscheid untermauerten – Grundhaltung durch, dass der Religionsunterricht an den Schulen freiwillig bleibt, während der Ethikunterricht als Pflichtfach gesichert wurde. Die bestehenden Gemeinschaftsschulen werden nicht wieder abgeschafft, auf freiwilliger Basis können sogar neue entstehen. Am Losverfahren für die Gymnasien wird nicht gerüttelt. Auch die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe, ein Herzensanliegen aller linken Sozialdemokraten, wird weiter verfolgt.

VORTEIL FÜR DIE CDU

Im Vollzugsdienst der Polizei sollen 250 neue Stellen geschaffen werden, eine wesentliche Forderung aus dem CDU-Wahlprogramm wird damit erfüllt. Rot-Rot hatte allerdings schon 200 Stellen genehmigt. Videoaufnahmen in der U-Bahn werden künftig 48 statt 24 Stunden gespeichert, ein alter Vorschlag des scheidenden Innensenators Ehrhart Körting (SPD), der bislang aber nicht umgesetzt wurde. Der Unterbringungsgewahrsam für potenzielle Straftäter kann von zwei auf vier Tage ausgedehnt werden. Das Programm des rot-roten Senats für einen öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) wird zugunsten preiswerterer Projekte für Langzeitarbeitslose aufgegeben.

Rot-Schwarz bekennt sich auf Wunsch der Union zu den Gymnasien und erleichtert den Zugang durch eine Geschwisterregelung. Das jahrgangsübergreifende Lernen (JüL) an den Grundschulen wird nur noch auf freiwilliger Basis fortgeführt. Auch der verpflichtende Hundeführerschein und eine kostenfreie Parkvignette für Handwerker geht auf Initiativen der CDU zurück. Das gilt auch für den Bau einer Kunsthalle, falls sich private Geldgeber an der Finanzierung beteiligen. Dieses Projekt gefällt aber auch dem Kultursenator Wowereit. SPD und Linke hatten ihm die Kunsthalle aus Kostengründen gestrichen.

DIE STREITPUNKTE

Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Erst wenn die Verhandlungskommissionen beider Parteien am 15. November das Ritual einer Marathon-Schlussrunde zelebriert haben, steht anschließend fest, wer das eigene politische Programm besser verkaufen konnte. Oder ob die Verhandlungen ein faires Geben und Nehmen waren. Denn viele Streitpunkte, die während der Fachverhandlungen offen blieben, wurden auf die letzte große Sitzung vertagt. Dazu gehören:

Ein bundesweiter, flächendeckender und gesetzlich festgelegter Mindestlohn von 8,50 Euro. Dafür macht sich die SPD ebenso stark wie für eine Touristenabgabe (City-Tax) und die Erhöhung der Grunderwerbssteuer. Höchst strittig ist auch die Zukunft der Umweltzone und die von Rot-Rot beschlossenen strengen Regelungen für den Winterdienst. Klärungsbedürftig ist ferner der Betrieb der S-Bahn nach 2017, wenn der Verkehrsvertrag ausläuft. Und die Vergabe neuer Konzessionen für die Gas- und Stromversorgung in der Stadt.

Beantwortet werden muss außerdem die Frage, ob Berliner Lehrer wieder verbeamtet werden sollen. Die Union will das Straßenausbaubeitrags-Gesetz abschaffen und den Bau neuer Wohnungen staatlich fördern. Die Kennzeichnung der Polizeibeamten steht auch auf der Liste der Knackpunkte. Gleiches gilt für den Wunsch der SPD, auf bundespolitischer Ebene ein kommunales Wahlrecht für Ausländer zu schaffen und die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. Völlig offen ist noch, wie die acht Senatsressorts zwischen SPD und CDU aufgeteilt werden.

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