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Koalitionsverhandlungen: Streit über Neuverschuldung

Bei den Verhandlungen zur Neuauflage der Koalition geht es turbulent zu: Finanzsenator Sarrazin fordert einen verfassungskonformen Etat - in den Augen der Linkspartei ein unsinniges Ziel. Derweil droht die FDP mit Klage.

Berlin - Nach der Niederlage Berlins vor dem Bundesverfassungsgericht streiten SPD und Linkspartei/PDS bei den Koalitionsverhandlungen über das Ziel der Finanzpolitik. Während Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) für 2011 einen verfassungskonformen Etat anstrebt, lehnt die Linkspartei dies strikt ab. Nach Darstellung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) bestimmt der Finanzsenator "nicht allein über die Politik". Beide Parteien setzten ihre Verhandlungen fort. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Themen Bildung, Wirtschaft, Soziales und Migration.

"Ein Finanzsenator hat die Aufgabe, die Verfassung einzuhalten", sagte Sarrazin. "Das ist möglich, und daran haben wir uns zu halten", fügte er hinzu. Dagegen bezeichnete der Linkspartei-Finanzexperte Carl Wechselberg die Forderung als "völlig unsinniges finanzpolitisches Ziel". Verfassungskonform ist ein Etat, wenn die Neuverschuldung die Höhe der Investitionen nicht überschreitet.

Politik sei ein "Gemeinschaftswerk"

Wenn ein verfassungsgemäßer Haushalt problemlos möglich wäre, hätte Berlin nicht in Karlsruhe auf Sanierungshilfen des Bundes klagen müssen, betonte Wechselberg. Aus Sicht der Linkspartei sei dieses Ziel "nur langfristig" zu erreichen. Die Karlsruher Richter hatten in der vergangenen Woche eine Klage der mit über 60 Milliarden Euro verschuldeten Hauptstadt auf Sanierungshilfen abgewiesen.

Einen Dämpfer erhielt Sarrazin auch von Wowereit. Trotz der "herausgehobenen Rolle" eines Finanzsenators sei die Politik ein "Gemeinschaftswerk", in das sich jeder Senator einfügen müsse, betonte der Regierungschef. Berlin wisse, dass es nicht ohne Neuverschuldung auskommen werde. Über die Höhe müsse jedoch in den Koalitionsrunden beraten werden. Die Frage stelle sich ohnehin erst für den Etat 2008/2009.

Wechselberg hatte zuvor angekündigt, seine Partei werde keine Koalitionsvereinbarung unterschreiben, in der ein verfassungskonformer Haushalt für 2011 verankert sei. Dieser würde "einschneidende Sparmaßnahmen oberhalb von 500 Millionen Euro" bedeuten, ohne dass Berlin sich aus der Zinsfalle herausbewege. Allenfalls dem "prinzipiellen Ziel" könne man daher zustimmen.

Opposition droht mit Verfassungsklage

Sarrazin befürchtet hingegen, dass im Falle eines nicht verfassungskonformen Haushalts die Opposition wie schon 2003 eine Verfassungsklage anstrebt. FDP-Fraktionschef Martin Lindner drohte bereits mit einem solchen Schritt, sofern der Senat "bewusst und gezielt" einen Etat aufstellt, der gegen die Verfassung verstoße. Auch die Grünen fordern einen verfassungsgemäßen Haushalt.

Um Sarrazins Ziel zu erreichen, müsste die Obergrenze für die Neuverschuldung 2011 nach Schätzungen bei 1,4 Milliarden Euro liegen. In diesem Jahr wird Berlin voraussichtlich für rund 2,4 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen bei Investitionen von 1,8 Milliarden Euro.

In den Vorjahren hatte Berlin keine verfassungsgemäßen Etats vorgelegt, dies aber mit einer extremen Haushaltsnotlage begründet. Das Bundesverfassungsgericht erkannte diese jedoch in seiner jüngsten Entscheidung nicht an. Damit kann sich der Senat nicht mehr auf eine Ausnahmesituation berufen. (Von Christina Schultze, ddp)

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