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© Kai-Uwe Heinrich

Kochserie: Die zarteste Versuchung

Björn Alexander Panek fährt kulinarisch gerne zweigleisig: Der Sternekoch pflegt die italienische Küche – traditionell, vor allem aber experimentell. Die Teilnehmer seiner April-Seminare erfahren etwa, wie Lammbraten garantiert zum Gaumenschmeichler wird und Dotter zum scharfen Überraschungsei.

Wo hört die italienische Küche auf, italienisch zu sein? Sobald wir ernsthaft beginnen, diese Frage zu diskutieren, stecken wir mitten im Dilemma, das Björn Panek nur zu gut kennt. Denn der Restaurantname „Gabriele“, den er von seinem glücklosen Vorgänger geerbt hat, lässt ja italienische Motive mehr als nur leise anklingen. Doch ein querfeldein ausgebildeter, höchst talentierter Koch wie Panek denkt nicht daran, sich in seiner ersten Küchenchefstelle auf Spaghetti Bolognese und Saltimbocca zu beschränken. Und der Ausweg in die sogenannte mediterrane Küche ist keiner, weil auch sie längst zum Klischee erstarrt ist, seit praktisch jeder bessere deutsche Koch irgendwas mit Olivenöl, Artischocken und Knoblauch auf der Karte hat.

Panek lässt es also einfach zweigleisig angehen. Für all jene Gäste, die seiner Experimentierfreude nicht folgen wollen, hat er auf der Speisekarte eine Abteilung namens „Tradizione à la carte“ eingerichtet. Dort stehen Dinge wie die Aubergine mit Tomate, Mozzarella und Basilikum oder das Carpaccio classico, die auf hunderten von Berliner Karten stehen (aber selten so gut zubereitet werden). „Adeguato ai tempi“ heißt die andere Richtung, die zeitgemäße also, und dort finden sich die Gerichte, deren Stilistik dazu beigetragen hat, dass Panek gleich im ersten Jahr seiner Arbeit den Michelin-Stern eroberte: gebackenes Ei mit Chorizo-Öl und schwarzen Trüffeln oder Aal mit Rotwein, Rosenkohl und Brombeeren bietet er gegenwärtig beispielsweise an.

Der 34-Jährige besitzt solide handwerkliche Grundlagen, die er sich bei Bobby Bräuer im Brandenburger Hof und vor allem bei Hans Haas im Münchener Tantris angeeignet hat. Doch entscheidend für seine Blitzkarriere war wohl, dass es ihm gelungen ist, sich von diesen sehr klassisch geprägten Vorbildern wieder zu lösen: Tim Raue, damals Küchenchef im Berliner Swissôtel, hat ihm die entscheidenden Impulse gegeben. Und Raue, heute als Küchendirektor der Adlon-Collection faktisch Oberaufseher des „Gabriele“, war es auch, der Panek, seinen langjährigen Souschef, Anfang 2008 überredete, nicht wie geplant nach Bremen abzuwandern; das havarierte „Gabriele“ war ihm eher unerwartet vor die Füße gefallen.

Heute arbeiten beide im Wortsinn nebeneinander – das „Gabriele“ und Raues „Ma“ sind nur ein paar Schritte voneinander entfernt – und doch unabhängig. „Wir telefonieren ein oder zwei Mal in der Woche“, sagt Panek. „Eigentlich komisch, dass wir uns so selten sehen.“ Er ist eben in erster Linie ein Küchenmensch, steht immer schon vormittags am Herd, um Neues auszutüfteln und Altes zu verbessern. Klar, dass auch sein österliches Menü nicht mit italienischen Klischees aufwartet, sondern die ganze Palette der Aromen und Kochtechniken nutzt, um aus zartem Lammfleisch das Maximum herauszuholen.

Nach dem Essen sollte der Blick unbedingt noch auf die wertvolle Einrichtung des Restaurants fallen, die vom amerikanischen „Mid-Century-Design“ der frühen Rock-’n’-Roll-Zeit beeinflusst ist und Erinnerungen an alte Filme aufkommen lässt. Auch die Fotos und Gemälde stammen aus der ersten Hälfte das 20. Jahrhunderts,  Bestandteile der Privatsammlung der Designerin Anne Maria Jagdfeld. Der Blickfang in der Raummitte allerdings weist weiter zurück: Es ist ein antiker römischer Torso – und eine Art Maskottchen für alle, die es trotz Björn Paneks kreativer Sorgfalt lieber mit den italienischen Klassikern halten.

Restaurant Gabriele, Behrenstr. 72, Mitte, Tel. 206286-10, (gabriele@gabriele-restaurant.de). Mo., Die., Fr., Sa. 18.30 bis 23 Uhr, So. 17.30 bis 22.30 Uhr. Mi. und Do. Ruhetag.

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