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Berlin: Köln oder Neukölln - was macht das schon?

Die ersten Jecken standen bereits um neun Uhr morgens am Eingang der "Ständigen Vertretung" (StäV). "Lasst uns rein", flehten sie das Personal der am Spreeufer gelegenen rheinischen Kneipe an.

Die ersten Jecken standen bereits um neun Uhr morgens am Eingang der "Ständigen Vertretung" (StäV). "Lasst uns rein", flehten sie das Personal der am Spreeufer gelegenen rheinischen Kneipe an. Die Türen blieben jedoch verschlossen. Karneval beginnt am 11.11. um elf Uhr elf. Auch in Berlin - und in der StäV sowieso.

Und da ging es dann auch pünktlich los. Dicht gedrängt standen die Jecken in einer langen Schlange vor der Tür, plauderten über dies und das und darüber, wie schön Karneval ist, und froren dabei furchtbar. Die eingefleischten Karnevalisten, die meisten kostümiert und im Gesicht bunt angemalt, brachte das freilich nicht aus der Ruhe. Keiner, der trotz Wartens nicht Minuten nach Betreten der Tanzfläche in Stimmung kam und genüßlich das Kölsch-Bier wirken ließe, das langsam in die Köpfe stieg. Der Musikmeister des Festes steht drei Meter über der Tanzfläche. Dicht unter der Decke auf einem Vorbau hockt DJ Charly - morgens gerade noch rechtzeitig aus Köln eingeflogen - und legt einen Karnevalsohrwurm nach dem anderen auf. "Die Leute hier sind total ausgehungert nach närrischem Treiben", sagt der 38-jährige Rheinländer. Den Berliner Jecken attestiert er Bestnoten. "Die Stimmung ist fantastisch, das hier ist Kneipen-Karneval wie in den guten, alten Zeiten in Köln." Der DJ meint es ernst. Seit sechs Jahren verzichtet Charly auf das Feiern in der rheinländischen Heimat, um im StäV das Volk zum Tanzen zu bringen.

"Die Hände zum Himmel", grölt Christian Schier zwei Meter tiefer die Hits aus den Lautsprechern mit. Frühzeitig sicherte sich der Berliner Hausverwalter einen Platz auf einem der leeren Kölsch-Fässer, um dem dichten Gedränge weiter unten zu entgehen. Heimweh verspürt der 37-jährige gebürtige Wuppertaler nicht. "Kneipen-Karneval ist überall gleich gut, egal ob in Köln, Düsseldorf oder hier in Berlin", so Schier. Seit drei Jahren ist er am 11. November im StäV. Zum Feiern brachte er diesmal Freunde aus seinem Sportclub mit. "Alles gebürtige Berliner", sagt der als Straßenbauarbeiter verkleidete Schier. Und zwar nicht die Einzigen: In der StäV lassen sich mittlerweile viele an der Spree Geborene vom rheinländischen Karnevals-Fieber anstecken. "Die Jecken hier passen sich auch schnell an die Bräuche an. Die Mädchen kann man genauso einfach ansprechen wie in Köln", freut sich Schier und wirft schon Mal einen Blick in die Runde. Der Mann sollte Recht behalten. Nur eine halbe Stunde später hat der Fastnachter bereits die erste Dame für einen engen Tanz gewonnen.

Viel Zeit für romantische Kuschelei gewährte DJ Charly den Narren allerdings nicht. Die fünfte Jahreszeit war kaum eine Stunde alt, da treibt er die Karnevalisten bereits mit der ersten Polonaise durch die Kneipe. Mittendrin Edda Grabar, vor acht Monaten aus Düsseldorf nach Berlin gezogen. Berauscht von der ausgelassenen Stimmung, wagt die 29-jährige Jeckin eine kühne Prophezeiung: "Die Karnevalspartys in der Ständigen Vertretung werden in einigen Jahren Kult sein." Doch schnell schränkt sie ein: "Rosenmontag nächstes Jahr feier ich aber lieber in Düsseldorf."

rop

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