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Berlin: Königs Stolz: Die im Frieden eroberte Provinz

Das Oderbruch ist eines der schönsten Ausflugsziele Selbst die Biber sind zurück – um sich zu vermehren.

Der stets als leidenschaftlicher Tierfreund beschriebene Friedrich II. kannte mit den possierlichen Wasserbewohnern kein Pardon. „Ausrotten“, lautete seine Order im Jahre 1765. Der Befehl betraf die Biber, die eines seiner wichtigsten Lebenswerke bedrohten: Sie unterhöhlten den Deich entlang eines rund 25 Kilometer langen Kanals quer durchs 80 Kilometer nordöstlich Berlins gelegene Oderbruch. Erst mit diesem neuen Bett für die Oder und einem System aus Entwässerungsgräben machte er den 60 Kilometer langen und bis zu 22 Kilometer breiten Landstrich dauerhaft bewohnbar. Vorher machten regelmäßige Überschwemmungen ein Leben dort unmöglich. So aber gewann er „eine Provinz im Frieden“, wie ein oft zitierter Ausspruch des Königs gelautet haben soll. Ab 1753 siedelten sich dank vieler Privilegien 1200 Familien in 43 Kolonistendörfern an. Die Biber jedoch gefährdeten das Projekt, so dass der König deren Todesurteil verkündete.

Heute wünschen sich viele Einwohner wieder so ein hartes Vorgehen. Doch Biber stehen unter Naturschutz. Seit der 1986 euphorisch gefeierten Entdeckung des ersten Exemplars seit Friedrichs Zeiten haben sich die Nagetiere explosionsartig vermehrt, so dass schon von rund 500 Bibern im Oderbruch ausgegangen wird. Gegen folgenschwere Löcher im Deich helfen inzwischen nur noch Stahlmatten, die aber teuer und in der Kürze der Zeit längst nicht überall zu verbauen sind. Zur tierischen Gefahr kommt die Vernachlässigung der Grabenpflege und der Schöpfwerke. Große Flächen und unzählige Keller stehen schon lange unter Wasser.

„Das Oderbruch säuft ab und hat keine ausreichende Lobby in der Landesregierung“, sagt Frank Schütz, Chef eines Blumenhandels. „Alle bisher beschlossenen Hilfen haben nicht ausgereicht.“ Er hat deshalb erst vor wenigen Wochen eine Demonstration – Motto: „Rettet unsere Heimat“ – organisiert. 1500 Bewohner folgten ihm. Genützt hat das nur wenig.

Dabei gehört das Oderbruch zu den schönsten Brandenburger Ausflugsregionen. Auf dem „flachen Teller“ lässt es sich ganz ausgezeichnet wandern oder radeln. So brauchen selbst ungeübte Freizeitradfahrer vor der 100 Kilometer langen „Königstour“ nicht zu kapitulieren. Sie verteilt sich auf zwei Tage, weist keine Steigung auf und garantiert viele Entdeckungen. Dazu gehören Schlösser und Fachwerkhäuser in kleinen Dörfern, Storchennester am Wegesrand, auch Künstlerateliers. Schätzungsweise 75 Werkstätten oder Galerien gibt es. Die meisten Künstler stammen aus Berlin, sind vor 20 Jahren oder kürzlich in aufgegebene Bauerngehöfte oder Gutshäuser gezogen.

Die Landwirtschaft in der einst „Gemüsegarten Berlins“ genannten Region lohnt sich kaum noch. Auch deshalb fehlt es an einer guten Lobby für das Oderbruch. Die Künstler halten sich zwar nicht gänzlich aus der aktuellen Problematik heraus, wie die Gesprächsrunden im wunderbaren „Theater am Rand“ in Zollbrücke zeigen. Aber ihre Wortmeldungen sind doch leiser Art.

Reinhard Schmook, Leiter des Oderland-Museums in Bad Freienwalde, vergleicht das Oderbruch mit einer „Badewanne, die auf beiden Seiten von zwei Höhenzügen begrenzt“ ist. „Die von Friedrich II. vorangetriebene Trockenlegung war eine hohe Leistung, an der bis zu 1000 Arbeitskräfte gleichzeitig wirkten.“ Allein sechs Denkmäler drückten heute noch die große Verehrung für den König aus, der den Bauern großen Wohlstand gebracht hat. Bestes Beispiel seien die Tauben gewesen, die nur den Herrschenden erlaubt waren. „Im Oderbruch standen die Taubenhäuser in den Höfen, wie heute noch im Kolonistendorf Neulietzegöricke“, sagt Schmook.

Auch die Biber gehörten in dieser vielseitigen Region zum Leben dazu, findet Matthias Freude, Chef des Landesumweltamtes. „Wir müssen nur einfach einen akzeptablen Kompromiss finden.“ Denn, sagt Matthias Freude, die Zeiten einer Order zum Ausrotten dieser Tiere seien endgültig vorbei.

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