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Berlin: "Körperwelten": Die Toten reisen in Schrankkoffern

Drei Tage vor der Eröffnung der Ausstellung "Körperwelten" sieht es im Postbahnhof am Ostbahnhof aus wie bei einer Gartenschau. Palmen und Ficusgewächse stehen in Plastikkübeln in der ansonsten leeren Bahnhofshalle.

Drei Tage vor der Eröffnung der Ausstellung "Körperwelten" sieht es im Postbahnhof am Ostbahnhof aus wie bei einer Gartenschau. Palmen und Ficusgewächse stehen in Plastikkübeln in der ansonsten leeren Bahnhofshalle. "Der Professor", sagt Körperwelten-Pressesprecher Stefan Rathgeb, "fand eines Tages, Pflanzen lockern das Ganze auf". Professor Gunther von Hagens ist Anatom und Erfinder der Plastination, eines Verfahrens zur Konservierung von Leichen (siehe unten).

Palmen also. Und dazwischen diese schwarzen Kisten. Die Leichen kommen in hölzernen Kästen mit Aluminiumbeschlägen, die niemand hier Särge nennen würde. "Speziell angefertigte Flightcases", erklärt Rudolf Thiele, Facharzt für Herzchirurgie und langjähriger Mitarbeiter von Hagens. Er ist für die Aufstellung der plastinierten Toten zuständig. Die Reisebehältnisse sind wirklich etwas größer als herkömmliche Särge. Außen klebt ein Plakat, das den Bewohner der jeweiligen Kiste zeigt.

Rudolf Thiele und ein Transportarbeiter öffnen eine. Sie machen es nicht spannend. Deckel hoch, weg mit der obersten genoppten Schaumstoffschicht. Lächelnd tun sie die Arbeit, an die sie sich seit Jahren gewöhnt haben. Dann eine Schrecksekunde: In dem schwarzen Kasten liegt - nichts. Thiele reagiert gelassen: "Ach, der muss noch in Heidelberg sein." Wahrscheinlich werde das Plastinat vom Staub gereinigt, der sich während der vorherigen Ausstellung in Mannheim abgelagert hat.

Also ran an den nächsten Kasten. Diesmal zucken die uneingeweihten Beobachter zusammen. Obenauf liegt ein graubrauner Klumpen an einem Metallspieß. "Das ist das Organpaket", erklärt Thiele trocken. Darunter liegt, in Plastikfolie eingeschlagen, der gehäutete Körper eines toten Mannes. Ein Werfer, der dynamisch den rechten Arm hebt. Eine Körperwelten-Mitarbeiterin, die dabeisteht, verrät den Namen, den sie dem Mann gegeben haben. Thiele bittet darum, ihn nicht zu veröffentlichen. Die Toten sollen namenlos bleiben. Individualität bekommen sie nur über die Posen, in denen sie modelliert werden: Als Werfer oder auch als Schachspieler.

Das Team um Gunther von Hagens schwankt öfers zwischen Zurückhaltung und Provokation. So zeigte es am Sonntag im Werbebus ausgerechnet eine im achten Monat schwangere Frau. Wie sie und ihr Fötus starben und wie sie in die Ausstellung kamen, wollte bislang niemand verraten. Rudolf Thiele gibt nun preis: Die Frau hatte eine Risikoschwangerschaft. Sie wusste, dass sie vielleicht sterben würde. Sie verschrieb sich der Plastination - und verstarb.

Die Ausstellung Körperwelten wird vom Sonnabend, dem 10. Februar bis zum Sonntag, dem 1. Juli im Postbahnhof am Ostbahnhof gezeigt (Straße der Pariser Kommune 3-7, Friedrichshain-Kreuzberg). Öffnungszeiten: täglich von 9 bis 23 Uhr (letzter Einlass). Der Eintritt kostet 22 Mark (ermäßigt 16 bzw. 10 Mark). Informationen unter der Rufnummer 29309-0 oder www.koerperwelten.com .

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