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Berlin: Körting: Das ist die Wende INTERVIEW

Innensenator lobt die Taktik der Polizei und glaubt, dass autonome Gewalttäter bald isoliert sind

Herr Körting, seit 1987 sprechen wir an jedem 2. Mai mit dem Innensenator. Ziehen eine Bilanz über Verletzungen, Festnahmen, Sachbeschädigungen…

Aber dieses Mal fällt die Bilanz positiver aus.

Inwiefern? Wieder flogen stundenlang Steine und es brannten Container .

Trotzdem: Wir haben es geschafft, einen wichtigen Prozess anzuschieben. Die Gewalt ist in diesem Jahr eindeutig weniger geworden. Die Container haben die Randalierer doch eher aus Hilflosigkeit angezündet, weil es ihnen nicht gelang, wie früher eine Straßenschlacht zu inszenieren. Übrigens muss kein einziger Polizist stationär im Krankenhaus versorgt werden. Auch das zeigt, dass wir auf gutem Weg sind, die Gewaltspirale am 1. Mai immer weiter zurückzudrehen.

Aber unterbinden kann die Polizei sie nicht?

Da kann man nicht einfach auf den Knopf drücken. Unsere Erfolge dieses Jahr müssen weiter ausgebaut werden.

Als da wären?

Bei diesem 1. Mai hat sich ein erstaunliches Teamwork bezahlt gemacht. Es gab etliche Joker, die wir zum ersten Mal gezogen haben.

Zum Beispiel?

Etwa das Flaschenverbot im Mauerpark. Oder das Parkverbot in Kreuzberg. Beides hat dazu beigetragen, dass der entscheidene Funke nicht überspringen konnte.

Was lief noch anders?

Einen wesentlichen Teil hat auch das Myfest beigetragen, das Engagement des Bezirks, der Anwohner und Geschäftsleute. Es setzt sich eben der Gedanke durch, dass sich die Bürger die Straße am 1. Mai zurückerobern. Es wird für die autonomen Gewalttäter zunehmend schwerer, sich in der Menge zu verstecken. Sie stehen isolierter da.

Haben Sie das Foto von der Frau gesehen, die sich mit der Pace-Fahne den Randalierern entgegenstellt?

Ja, auch das ist immer öfter zu beobachten. Dass die Kreuzberger sagen: Wir lassen uns unseren Wohnbereich von euch nicht kaputtmachen.

Weitere Joker des Jahres 2004?

Das Engagement der türkischen und arabischen Verbände hat spürbare Wirkungen gezeigt. Sie haben nicht nur im Vorfeld gute Arbeit geleistet, sondern waren auch in Kreuzberg unterwegs, um auf ihre Kids Einfluss zu nehmen. Es gab zwar auch in diesem Jahr ausländische Jugendliche, die auf Krawall aus waren, aber sie haben das Geschehen nicht mehr so stark dominiert.

Neu war ja auch die so genannte Mann-Deckung während des Einsatzes.

Ebenfalls ein Erfolg. Wir hatten Beamte aus ganz Berlin dabei, die bereits nachmittags in der Menge nach ihren „alten Bekannten“ aus dem Kiez Ausschau gehalten haben und diese im Bedarfsfall ganz schnell isolieren konnten.

Gibt es auch Joker, die versagt haben?

Ich würde mir wünschen, dass die Zahl der Straftäter abnimmt. Dass wir also bei der Prävention noch bessere Erfolge erzielen. Aber auch hier wurde ein Anfang gemacht: Mit der Arbeit in den Schulen, vor Ort in den Kiezen… Ein Allheilmittel gibt es nicht.

Kreuzberg brennt seit 17 Jahren. Ist der totale Gewaltentzug vorstellbar?

Ich weigere mich, die Hoffnung aufzugeben, dass der 1. Mai eines Tages friedlich ablaufen wird. Ich stelle mir das so vor: ein politisch bewegter Tag, an dem jeder so radikal seine Meinung äußern kann wie er will. An dem die Bürger auf der Straße feiern und die Geschäftsleute ihre Läden nicht verrammeln müssen.

Das Gespräch führte Katja Füchsel

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