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Sicherheit im Blick. Bereits zum 9. Mal trägt Ehrhart Körting die politische Verantwortung für die Polizeieinsätze am 1. Mai in Berlin. Das Amt des Innensenators hat der 67-jährige SPD-Politiker seit dem Jahr 2001 inne, als Klaus Wowereit Regierender Bürgermeister wurde.

© Mike Wolff

Körting-Interview: "Eine Herausforderung für die Stadt"

Der Innensenator Ehrhart Körting erwartet am 1. Mai die meisten Störungen beim Marsch der Neonazis und der Gegendemo in Pankow, hält aber auch die Gegendemo der Linken nicht für eine harmlose Veranstaltung.

Herr Körting, haben Sie Angst vor dem 1. Mai?

Nein, ich habe keine Angst. Natürlich ist die Situation für Berlin eine besondere Herausforderung, vor allem die Veranstaltung der Rechtsextremisten. Doch wenn man Angst hat, macht man Fehler.

Sie halten den Aufmarsch der Neonazis in Prenzlauer Berg für das potenziell gefährlichste Ereignis am 1. Mai?

Besonders beobachten wir zwei Veranstaltungen: Den rechtsextremen Aufmarsch in Prenzlauer Berg und die 18-Uhr-Demonstration in Kreuzberg und Neukölln. Ich rechne mittags in Prenzlauer Berg mit 1000, maximal 3000 Rechtsextremen und bis zu 10 000 Gegnern. Schon diese Zahlen zeigen, dass die Situation dort die störanfälligste sein dürfte. Allerdings ist auch die Revolutionäre Demonstration der Linken um 18 Uhr keine harmlose Veranstaltung, wie sich erst im letzten Jahr gezeigt hat.

Wie viele Polizeibeamte werden aufgeboten, um an diesem Tag Rechtsextremisten und Nazigegner auseinanderzuhalten?

Wir haben am 1. Mai mindestens so viele Kräfte im Einsatz wie im vergangenen Jahr, also 5000 bis 6000 Beamte. Berlin bekommt viel Unterstützung vom Bund und anderen Ländern. Die ist auch nötig, da bei der rechtsextremen Demonstration auf beiden Seiten gewaltbereite Leute zu erwarten sind. Bei den Rechtsextremisten sind es vor allem die als besonders gewaltbereit geltenden Autonomen Nationalisten. Da ist eine steigende Gewaltbereitschaft zu beobachten. Das ist nicht mehr wie vor sieben, acht Jahren, als Neonazis bei Aufmärschen nur ihre dumpfen Parolen brüllten. Andererseits kann man hoffen, dass nicht ganz so viele Rechtsextremisten nach Berlin kommen, wie die Polizei bislang schätzt. Es gibt im Bundesgebiet weitere Demonstrationen von Neonazis und NPD, und wir haben nicht feststellen können, dass für den Aufmarsch in Berlin überregional außerordentlich stark geworben wird.

Wird die Polizei den Neonazis den Weg freihauen, wenn Gegendemonstranten die Route blockieren?

Rechtsextreme Demonstranten haben dieselben Grundrechte wie alle anderen auch. Sie können ihre Ansichten, so unangenehm die auch sind, genauso auf die Straße bringen wie die anderen. Die Polizei ist verpflichtet, die Grundrechte durchzusetzen, ganz gleich für wen. Wir haben allerdings Konfliktlagen in Berlin erlebt, bei denen die Polizei darauf verzichtet hat, mit Gewalt die Route der Rechtsextremisten freizubekommen. Am 8. Mai 2005, dem 60. Jahrestag der Befreiung, mussten sich die Rechtsextremisten mit einer Kundgebung am Bahnhof Alexanderplatz begnügen, weil zu viele Gegendemonstranten die Aufmarschstrecke besetzt hielten. Die Polizei hat rechtmäßig gehandelt, das haben hinterher auch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht bestätigt, als Rechtsextremisten geklagt hatten. Aber es ist eine Ausnahme, dass eine Demonstration aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht stattfindet. Bei anderen rechtsextremen Demonstrationen ist die Polizei nicht davor zurückgeschreckt, auch Bezirksbürgermeister wegzutragen, die sich auf die Straße gesetzt hatten.

Die Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse und Petra Pau sowie der Präsident des Abgeordnetenhauses, Walter Momper, rufen zu Blockaden auf. Polizisten werden die Politiker von der Straße zerren?

Ich bin mir sicher, dass Frau Pau, Herr Thierse und Herr Momper die Straße räumen werden, wenn die Polizei sie dazu freundlich auffordert.

Petra Pau hat am 13. Februar in Dresden mit tausenden Nazigegnern den Aufmarsch der Rechtsextremisten blockiert und ist nicht gewichen.

Auch Frau Pau würde weggetragen. Aber ich glaube nicht, dass sie einen Rechtsbruch begehen will.

Sie selbst engagieren sich in der Tradition der SPD gegen den Rechtsextremismus und haben mehrfach ein Verbot der NPD gefordert. Empfinden Sie Sympathien für Nazigegner, die braune Aufmärsche blockieren?

Ich finde es gut, dass Menschen ihr Gesicht zeigen und Nazis entgegentreten. Aber ich habe keine Sympathie für Leute, die das Grundrecht auf Protest mit Gewalt vermengen wollen.

Warum äußert sich die Polizei bisher überhaupt nicht öffentlich zur Route der Neonazis?

Wo Neonazis langmarschieren werden, ist auch deshalb so hartnäckig geheim gehalten worden, weil militante Linksextreme in der Vergangenheit solche Strecken schon präpariert hatten. An Routen rechter Aufmärsche sind Steine und andere Wurfgeschosse auf Dächern deponiert worden.

Gab es keine Möglichkeit, die rechtsextreme Demonstration zu verbieten? Immerhin wird auf der Homepage der Veranstalter auch die Einrichtung von „stationären Umerziehungsstätten“ propagiert.

Unsere Juristen haben genau geprüft, ob ein Verbot möglich ist. Das gilt auch für die Revolutionäre Demonstration der Linken am Abend. Aber das Bundesverfassungsgericht bestätigt nur in seltenen Fällen das Verbot einer Demonstration. Wir haben in Berlin bessere Erfahrungen mit Auflagen für Demonstrationsteilnehmer gemacht. Die wird es auch diesmal geben.

Die radikalen Linken scheinen in diesem Jahr eine andere, stärker politische Revolutionäre Mai-Demonstration zu planen. Denkt die Szene um?

Eine Repolitisierung der Revolutionären 1. -Mai-Demonstration würde ich begrüßen. Wenn politische Forderungen und nicht die Lust am Krawall im Vordergrund stehen, haben wir alle gewonnen, auch wenn ich persönlich die Ansichten der 18-Uhr–Demonstration nicht teile. Noch bin ich skeptisch, hoffe aber, dass bei den Organisatoren der Kreuzberger Demo ein Umdenken begonnen hat.

Viele Berliner Polizeibeamte werden vermutlich mit sehr viel Wut an die Krawalle vom vergangenen 1. Mai zurückdenken. Ist da in diesem Jahr eine aggressivere Stimmung bei den Einsatzkräften zu erwarten?

Die Beamten werden ausreichend besonnen und dennoch konsequent an ihren Einsatz herangehen – trotz der massiven Angriffe im vergangenen Jahr. Operativ mische ich mich aber am 1. Mai selbst nicht ein. Was zu tun ist, wissen die Polizeiführer vor Ort am besten.

Linksextremisten rufen zu gewaltsamen Aktionen am 1. Mai auf. Sind das Argumente für ein Verbot militanter Gruppierungen?

Liegt genug Material für ein Verbot nach dem Vereinsrecht vor, würde ich keine Sekunde zögern, auch linksextreme Gruppen zu verbieten – wie ich es bekanntlich auch schon bei Neonazikameradschaften getan habe.

Das Interview führten Hannes Heine, Frank Jansen und Johannes Radke.

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