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Berlin: Körting will Kopftuch im öffentlichen Dienst verbieten

Innensenator reagiert auf Karlsruher Urteil. Bildungssenator Klaus Böger will auch auffällige Kreuze und Davidsterne verbannen

Die „Kopftuchentscheidung“ aus Karlsruhe hat in Berlin eine Grundsatzdebatte über die Tolerierung religiöser Symbole im öffentlichen Dienst ausgelöst. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kündigte gestern die Initiative zu einem Gesetz an, mit dem allen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst das Tragen von Kopftüchern verboten werden soll. Es gehe dabei nicht nur um Lehrerinnen, sondern auch darum, „ob man Richterinnen oder Polizeibeamtinnen mit Kopftuch“ gegenüber trete, sagte Körting gestern vor dem Parlament.

Der Innensenator hält das Tragen von Kopftüchern nur „zum Teil für den Ausdruck einer religiösen Gesinnung“. Es sei zunehmend „Ausdruck einer fundamentalistisch und aggressiv nach außen getragenen Grundstimmung gegen das westliche Wertesystem und die Emanzipation der Frau“, sagte er dem Tagesspiegel. Die PDS warnte davor, das Kopftuch zu „stigmatisieren“.

Ob gleichzeitig mit dem Kopftuch auch das offensive Tragen von anderen religiösen Symbolen wie Kreuz oder Davidstern verboten werden soll, darüber sind sich auch Körting und Schulsenator Klaus Böger (SPD) keineswegs einig. Laut Böger müssten diese Symbole ebenso einbezogen werden wie etwa politische Buttons. Körting dagegen möchte keine derartige Grundsatzdebatte. Das Tragen einer Halskette mit Kreuz oder Davidstern sei noch lange nicht „indoktrinär“. Natürlich gebe es einen Unterschied, ob ein Lehrer eine Halskette mit religiösem Symbol trage oder als „Benediktinermönch in Kutte seine Schüler geißeln würde“.

Bildungssenator Böger will das Thema bei der nächsten Sitzung der Kultusminister am 9. Oktober ansprechen und sich mit den anderen Länder über das weitere Vorgehen „verständigen“, kündigte seine Sprecherin Rita Hermanns gestern an. Es gebe jetzt sehr viel Klärungsbedarf.

Auch der Sprecher des Türkischen Bundes BerlinBrandenburg, Safter Cinar, rät zu einem bundeseinheitlichen Vorgehen. Es könne nicht sein, dass ein Dutzend Lehrerinnen in einigen Bundesländern mit Kopftuch vor einer Klasse unterrichten dürften – und in anderen Ländern nicht.

Generell hält Cinar das Tragen von Kopftüchern an Schulen für „problematisch“. Man müsse sich allerdings überlegen, ob religiöse Symbole an Schulen „grundsätzlich zulässig“ sind, rät er – und schlägt damit Bögers Richtung ein. Völlig unklar ist bisher allerdings, wo die Grenze gezogen werden soll: Wie groß also darf etwa ein Kreuz sein, das eine Lehrerin um den Hals trägt. Oder wird die Sache erst heikel, wenn sie ein T-Shirt mit riesigem Kreuz-Aufdruck trägt?

Einen besonderen Grund zur Eile, diese Fragen zu klären und einen Gesetzesentwurf vorzulegen, sehen die Senatsverwaltungen zurzeit nicht. Denn aktuell ist kein Fall bekannt, in dem öffentliche Behörden mit dem Kopftuchproblem konfrontiert wären. Bei den wenigen türkischen Lehrerinnen ist das Problem bisher nicht aufgetaucht und auch nicht bei der Polizei.

Lediglich in der Justizverwaltung gab es zwei Streitfälle in Sachen „Kopftuch“, während Grünen-Politiker Wolfgang Wieland Justizsenator war – in der rot-grünen Übergangsregierung 2001. Damals habe es zwei Fälle von Kopftücher tragenden Referendarinnen gegeben, die während ihrer juristischen Ausbildung bei der Staatsanwaltschaft arbeiteten, sagte er dem Tagesspiegel. In einem internen Schreiben habe er angeordnet, dass die Referendarinnen zwar mit Kopftuch arbeiten, aber vor Gericht nicht plädieren dürften.

Schulsenator Klaus Böger flog am Donnerstag für einen zweitägigen Besuch in die Türkei und wird dort seinen türkischen Amtskollegen treffen. Das „Kopftuch-Urteil“ werde nicht Thema sein, sondern die vorschulische Spracherziehung, sagte Staatssekretär Thomas Härtel. In der Türkei ist es sowohl Schülerinnen als auch Lehrerinnen verboten, Kopftücher zu tragen. Dies gilt auch in Frankreich und Italien. In Großbritannien hingegen können sogar Polizistinnen Kopftücher tragen. Hier gibt es generell im Staatsdienst die Regelung, dass man seine Glaubensrichtung über die Kleidung zum Ausdruck bringen kann. sib, suz, sve

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