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Berlin: Körting will Verfassungsschutz entmachten

Der Innensenator fordert, dass die Berliner Behörde Aufgaben an das Bundesamt abtreten soll

Wer überwacht nach dem Debakel im Verbotsverfahren jetzt die Rechtsextremen von der NPD? Wer horcht künftig die Machenschaften der islamistischen Vereine in Berlin aus? Ist der Berliner Verfassungsschutz nach den Anschlägen vom 11. September zu Ermittlungen dieser Dimension überhaupt in der Lage? Geht es nach Innensenator Ehrhart Körting (SPD), so müssen die Berliner Verfassungsschützer schon bald radikal umdenken – und einen erheblichen Teil ihrer Aufgaben abgeben. Bundesweit relevante extremistische Strukturen müsste auch das Bundesamt für Verfassungsschutz auskundschaften, verlangt jetzt Körting. Selbst eine Abschaffung des Berliner Verfassungsschutzes will Körting nicht ausschließen.

Der Innensenator wird seine Vorschläge zur Reform der Geheimdienste auf der Innenministerkonferenz Mitte Mai seinen Ministerkollegen präsentieren. Dort steht eine Debatte zur Umstrukturierung des Verfassungsschutzes nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren auf der Tagesordnung. Im Laufe dieses Verfahrens waren immer mehr V-Männer des Verfassungsschutzes innerhalb der NPD bekannt geworden. V-Männer, von denen die Kollegen aus dem Bundesamt offenbar nichts wussten.

Nach dem Fiasko will Körting Konsequenzen sehen. Der Verfassungsschutz, der in Berlin Körting selbst unterstellt ist, kommt bei ihm nicht gut weg. Immer wieder müsse man feststellen, dass verschiedene Verfassungsschutzämter dieselben Spitzenfunktionäre beobachteten – ohne dass der eine Geheime vom anderen wisse. Und in den verschiedenen Verfassungsschutzberichten könne man oft praktisch dieselben Auswertungen nachlesen. „Wir bewerten und werten an unterschiedlichen Stellen dieselben Dinge aus“, klagt Körting. „Im Brustton der Überzeugung werden oft dieselben Erkenntnisse formuliert, 17 Mal!“ Diesem „unsinnigen Nebeneinander“ müsse ein Ende gemacht werden.

Als Kritik an den Berliner Verfassungsschützern will der Innensenator seine Initiative zur Entmachtung der Landesbehörden allerdings nicht verstanden wissen. „Das soll die Berliner Behörde nicht entmachten“, sagt Körting. „Im Gegenteil, so wären wir in der Lage, die vorhandenen Ressourcen besser zu verteilen.“ Berlin könnte effektiver arbeiten, so Körting.

Der Innensenator schlägt eine Arbeitsteilung vor. Bundesweit agierende Strukturen, wie etwa die NPD, sollten durch das Bundesamt beobachtet werden. Dort, wo eine Gruppierung schwerpunktmäßig aktiv ist, müsste dann die Länderbehörde zuliefern – die Zusammenführung und Interpretation aber bliebe beim Bund. Nur bei Gruppen, die nur lokal agierten, sollten die Länderbehörden Feder führend sein. Grundvoraussetzung sei natürlich auch der Abgleich der V-Männer zwischen den Geheimdiensten.

Der zumindest zahlenmäßige Abgleich der V–Männer ist die einzige Konsequenz aus dem NPD-Verfahren, auf die sich die Innenminister bereits verständigt haben. Trotz weitgehender Vorschläge – der frühere Chef des Bundesamtes und ehemalige Berliner Innensenator Eckart Werthebach (CDU) fordert in einem Gutachten für die Bertelsmann-Stiftung die Abschaffung der Landesbehörden – befürchtet Körting nur geringe Veränderungsbereitschaft. „Ich fürchte, bei der üblichen Angst von Behörden, Kompetenzen abzugeben, wird nur wieder über Kooperationen gesprochen.“ Körting selbst will zwar nicht so weit gehen wie Werthebach, dringt aber auf radikale Veränderungen. „Und dabei will ich auch keine Denkverbote.“

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