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Wer ist hier der Boss? Körting sucht einen Polizeipräsidenten.

© ddp

Suche nach dem Polizeichef: Körtings verpatzte Kür

Er gilt als klug und pragmatisch, als Mann der leisen Töne. Und nun dies. Ehrhart Körting, Berlins Innensenator, richtet bei der Suche nach einem neuen Polizeipräsidenten ein krachendes Desaster an. Warum nur?

Nicht, dass er die Gefahr nicht sah. Aber am 1. Mai, als auf dem Heinrichplatz die Kreuzberger friedlich ihr „Myfest“ feierten, wollte der Innensenator nichts davon wissen, was an Unheil bei der Suche nach einem neuen Polizeipräsidenten auf ihn zukommen könnte. Während vom Platz her die Bässe einer Rockband bis in die Kneipe wummerten, in der ein entspannter Ehrhart Körting ein Bier trank, war er sich noch gewiss, dass Berlin rechtzeitig zum 1. Juni einen neuen Polizeipräsidenten bekommen werde und es keine Vakanz nach der Pensionierung des langjährigen Polizeipräsidenten Dieter Glietsch geben würde. Von nahtlosem Übergang sprach Körting und machte nur eine Einschränkung: „Falls es keine Konkurrentenklage gibt.“

Damals hatte der Sozialdemokrat noch allen Grund zur Zufriedenheit. So friedlich wie seit Jahren nicht war es rund um den Tag der Arbeit, was erstmals Hoffnung nährte, dass sich nach fast 25 Jahren die Randale überlebt hat. Ausgestreckte Hand für die friedlich Feiernden, harter Zugriff gegen Randalierer – in dem Erfolg des von der Polizei durchgesetzten Konzepts konnte sich auch Körting sonnen. Da war die persönliche Erleichterung spürbar; denn wenn es nicht gut gelaufen wäre, hätten alle Finger auf ihn gewiesen und sein Amt wäre zum Schleudersitz geworden – nicht auszudenken in diesem Wahljahr. So aber zollte ihm hinterher selbst die Opposition Respekt, und der schmale, eher kleine Mann zeigte wieder einmal, warum er zu den beliebtesten Politikern des rot-roten Berliner Senats gehört.

Inzwischen ist es Ende Juli und Berlin hat immer noch keinen Polizeipräsidenten. Und alle Finger zeigen auf Körting. Der Sicherheitssenator ist zum Unsicherheitsfaktor geworden, und die Opposition von CDU und Grünen hat endlich ein echtes Wahlkampfthema. Eine verpatzte Stellenbesetzung mit fehlenden Auswahlgesprächen, mangelhaften Ablehnungsschreiben, der Klage eines nicht berücksichtigten Konkurrenten und zwei Niederlagen vor Gericht – die Suche nach einem neuen Polizeipräsidenten ist zu einer Chronik des Scheiterns geworden. Selbst in den Reihen der Sozialdemokraten fragt man sich etwas ratlos, was Ehrhart Körting, den klugen Kopf und Pragmatiker, getrieben hat, mit einer heillos wie trotzig durchgezogenen Postenbesetzung eine erstklassige politische Bruchlandung anzurichten.

Dabei gilt der vormalige Justizsenator und frühere Verfassungsrichter Körting als einer der erfahrensten Innenpolitiker der Bundesrepublik. Ein Mann, der sagt, was er denkt, und zuweilen drastisch in der Wortwahl ist, so müssen erfolgreiche sozialdemokratische Innenpolitiker sein. So wie Otto Schily in der rot-grünen Bundesregierung unverzichtbar für Gerhard Schröder war, weil der mit seiner schnörkellosen Sicherheitsphilosophie den Konservativen keinen Spielraum ließ, so hat Ehrhart Körting in Berlin seit 2001 die Bürger nach der argwöhnisch beobachteten Regierungsübernahme überzeugt, dass in der rot-roten Koalition die Sicherheit in guten Händen ist. Unverzichtbar für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Ein Aktivposten im Wahlkampf. Wann sollte das wichtiger sein als jetzt, wenn die Berliner am 18. September darüber abstimmen, wer sie in den kommenden fünf Jahren regiert?

Brutale Gewalt im Nahverkehr und fehlendes Sicherheitspersonal auf den Bahnhöfen, brennende Autos und gewaltbereite Linksextreme – es gibt in der Hauptstadt viel zu tun für einen Polizeipräsidenten. Doch den gibt es nun wohl doch erst nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Stattdessen wird es ein Auswahlverfahren geben zwischen den zwei verbliebenen Kandidaten, nachdem Körting auf einen Einspruch gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts verzichtet. Mangelnde Sorgfalt hatte das Gericht bei der Kandidatensuche moniert; eine Ohrfeige für Körting, der blind und möglicherweise schlecht beraten allein auf seinen Kandidaten Udo Hansen setzte und alles ignorierte, was zum Grundwissen jedes Personalreferenten gehört. Nach dem Urteil hatte Körting noch flapsig reagiert, nun steht also alles wieder auf null. „Wir haben richtig einen übergekriegt“, sagt Körting ziemlich kleinlaut über seine Niederlage. Es könnte wohl noch mehr sein. Schließlich hat der Senior in der Berliner Landesregierung trotz seiner 69 Jahre seit langem deutlich signalisiert, dass er sich auch eine weitere Amtszeit zutrauen würde.

Einiges spricht dafür, dass es damit nun schwierig werden könnte. Bei Klaus Wowereit kann man zwischen einigen seiner typischen, leicht hingeworfenen ironischen Bemerkungen ein wenig von seiner Verärgerung spüren. „Der macht das schon“, wird da schnell zu einer kleinen Drohung. Da kann Klaus Wowereit nachtragend sein. Zumal er ahnt, dass es auch auf ihn zurückfallen wird, was im Hause des Innensenators falsch gelaufen ist. Immerhin hat der Regierende Bürgermeister sich noch vor vier Wochen vom selbstgewissen Körting dazu drängen lassen, den wegen des Todes eines Abschiebehäftlings in seinem Verantwortungsbereich und seiner Tätigkeit als Sicherheitsberater in Saudi-Arabien umstrittenen Kandidaten Udo Hansen zum Polizeipräsidenten zu benennen, obwohl die Konkurrentenklage noch nicht abgeschlossen war. Schon das nährte Spekulationen, der Regierende Bürgermeister habe das nur seinem Parteigenossen zuliebe getan, der gegen alle Widerstände und Warnungen seinen Kandidaten durchdrücken wollte.

So kennt man den Innensenator nicht. Der Vater von fünf erwachsenen Kindern, der selten laut wird und sich die Zeit nimmt, auch nachzudenken, bevor er formuliert, hat in Berlin gerade durch seine bedächtige Art viele Sympathien gewonnen. Der Stil des Senators mit den immer noch dunklen Haaren und den Anzügen, die immer leicht knittrig wirken, ist eher die stille Art. Wenn er die islamischen Gemeinden in Kreuzberg oder Neukölln besucht, dann tut er das häufig ohne die Presse. Beharrlich hat er in den vergangenen Jahren vor dem 1. Mai bei Kreuzberger Muslimen dafür geworben, dass die Eltern ihren Nachwuchs davon abhalten, sich an den Krawallen zu beteiligen.

Doch Körting, der in seinem Arbeitszimmer im Alten Stadthaus auf seinem Stehpult eine Bibel und einen Koran liegen hat, kann auch die klare Sprache. Nach dem brutalen Überfall auf einen Fahrgast im U-Bahnhof Friedrichstraße kritisierte er vor wenigen Wochen scharf den Haftrichter, der den 18-jährigen Schläger wieder auf freien Fuß setzte. Mit solchen Entscheidungen würden die Bürger vom Recht entfremdet, grollte der Innensenator – und erntete Beifall in der Bevölkerung und böse Kommentare aus der sozialdemokratisch geführten Justizverwaltung. Es gehört aber auch zum Bild des Innensenators, dass er in den vergangenen Jahren mit unbedachten Worten mehrfach Irritationen auslöste. In der „Idomeneo“-Affäre trug seine lockere Bemerkung über ein Sicherheitsrisiko für die Deutsche Oper in Charlottenburg dazu bei, dass die politisch nicht ganz korrekte Inszenierung voreilig vom Spielplan genommen wurde. Berlin hatte eine Debatte über vorauseilenden Gehorsam gegenüber islamistischen Fundamentalisten und Körting erhebliche Mühe, sich zu erklären.

Ein Polizeipräsident, der vom Senat zwar benannt, aber noch nicht ernannt ist, und bei dem offen bleibt, wann er sein Amt antreten kann – das hat es in Berlin noch nicht gegeben. Ein Novum. Man könnte es auch Skandal nennen; immerhin handelt es sich um einen der wichtigsten Leitungsposten in der Hauptstadt. Ein Eklat auch, dass der ehemalige Leiter des Bundesgrenzschutzpräsidiums Ost, Udo Hansen, nur mit den Stimmen der SPD-Mehrheit im Senat benannt wurde. Der Koalitionspartner, die Linke, lehnte den Personalvorschlag ab – und fordert ein neues Auswahlverfahren, weil sie Vorbehalte gegen den als „Hardliner“ geltenden Hansen hat. Die Ernennung Hansens, so wurde vom Senatssprecher betont, werde erst dann rechtskräftig, wenn ihm die Ernennungsurkunde ausgehändigt wird. Damit werde der Senat bis zum Abschluss anhängiger Rechtsstreitigkeiten warten, sagte Senatssprecher Richard Meng: „Aus Respekt vor der Justiz.“

Doch der Respekt ist längst verloren; vor dem Gericht, vor dem Amt und vor dem Koalitionspartner. Und Körtings Wunschkandidat Udo Hansen, der sich öffentlich nicht äußert, ist durch das Verfahren schon beschädigt, bevor er sein Amt antreten und beweisen kann, dass er der richtige Mann für die mit über 23 000 Mitarbeitern größte und wahrscheinlich schwierigste Polizeibehörde der Bundesrepublik ist.

Das Ansinnen der Opposition, die früh forderte, das Amt des Polizeipräsidenten erst nach der Wahl zu besetzten, hat Körting strikt zurückgewiesen. Das Amt vertrage keine Vakanz; die Hauptstadt brauche eine schnelle Stellenbesetzung. Es gehe CDU und Grünen nur darum, „diese Stelle nach ihrer Couleur zu besetzen“, sagte Körting zum Jahresbeginn: „Ich bin in dieser Beziehung erwachsener.“

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