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Kohlen und Räder. Klaus Bindseil vor dem Laden, der er mit seinem Bruder Dieter zusammen betreibt, in der Weddinger Kiautschoustraße 18. Dieter mochte nicht mit aufs Foto.

© Axel Völcker

Berlin: Kohlen und Räder

Dieter Bindseil mag seine Arbeit. Seit etwa vier Jahren repariert der 63-Jährige Fahrräder für die Anwohner aus dem Sprengelkiez in Berlin-Wedding.

Dieter Bindseil mag seine Arbeit. Seit etwa vier Jahren repariert der 63-Jährige Fahrräder für die Anwohner aus dem Sprengelkiez in Berlin-Wedding. Gerade hat eine Frau ihr Velo mit plattem Hinterreifen in den Laden geschoben. Dieter hebt es auf den Fahrradbock und setzt den Schraubenschlüssel an. „Platten repariert normalerweise mein

Bruder“, er wischt die Finger am Blaumann ab. Klaus sei zuständig

fürs Grobe, er selbst dagegen mehr der Feinmotoriker. Das Grobe,

damit meint Dieter die fossilen Brennstoffe, die sein jüngerer Bruder seit nunmehr 35 Jahren ausliefert. Meist ins brandenburgische Umland, wo noch immer viele Einfamilienhäuser mit Kohle- und Holzbriketts geheizt werden. Und in letzter Zeit auch wieder öfter nach Berlin,

wo Kamine alte Kohleöfen ersetzen.

Im Laden der Brüder sind die unterschiedlichen Geschäftsbereiche bunt zusammengewürfelt. Zehn-Kilo-Pakete Kohlebriketts und Säcke mit Holzscheiten stapeln sich an den Wänden, am Büroschreibtisch mit Drucker und Telefon lehnen zwei Fahrräder, in der Raummitte

stehen der Fahrradbock und eine Werkzeugkiste. Den Vorschlag, Radreparaturen in Kombination mit Brennstoffen anzubieten, unterbreitete Dieter seinem Bruder vor einigen Jahren, um im Sommer, wenn das Geschäft mit den Heizmitteln nur mäßig läuft, „die Miete rauszukriegen“. Auch schaffte der gelernte Tiefbauer so den Sprung aus der Arbeitslosigkeit. Im Geschäftsalltag der Männer haben die unterschiedlichen Angebote unter einem Dach nur wenig miteinander zu tun, auch wenn hin und wieder ein Kunde in den Laden kommt, der zuerst das Fahrradlicht reparieren lässt und hinterher noch einen Sack Holz mitnimmt.

„Viel schmeißt es nicht ab“, sagt Dieter über sein Standbein. Doch über verkaufsfördernde Sonderangebote wie eine Gratis-Fahrradinspektion beim Kauf von größeren Mengen Holz oder Kohlen denken die Brüder trotzdem nicht nach. „Wir verrichten quasi soziale Dienste“, sagt Dieter. Vor allem dann, wenn der jüngere Bruder den Leuten aus der Nachbarschaft Brennstoffe „borgt“, damit sie nicht frieren. Mit

ihrer Geschäftsidee geht es den Bindseils weniger um Profit. Vor

allem fühlen sie sich den Menschen im Sprengelkiez, in dem beide

ihr Leben verbracht haben, verbunden.

Brennstoffhandel und Fahrradservice, Kiautschoustraße 18, Wedding

Mo.-Fr. 15-18 Uhr, Sa. 10-13 Uhr

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