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Energieträger. Auch wenn die Zahl der traditionellen Kohleöfen sinkt, hat Arnd Teiche noch immer gut zu tun.

© Björn Kietzmann

Kohlenhändler in Berlin: Wer hat noch Angst vorm schwarzen Mann?

Auch in Zeiten der Energiewende trägt Arnd Teiche Kohlen in Keller. Als einer der Letzten seiner Art. Immer weniger Wohnungen mit Ofenheizungen lassen seinen Beruf aussterben - doch es gibt auch neue Kunden.

Es gab für die deutsche Energiebranche eine Zeit, da waren Zierbriketts eine tolle Sache. Zu festlichen Anlässen, zu Jubiläen oder ganz allgemein: Wenn was Schönes passierte, dann pressten sie Zierbriketts. Nicht zum Verfeuern, sondern um sie ins Regal zu stellen. „Mensch, Wolle“, hat vielleicht damals jemand in der Essener Zentrale von RWE zu Wolfgang Ziemann gesagt, „jetzt haben wir das Jahr 1977 und du bist im Vorstand – wie wär’s denn mal mit ’nem Zierbrikett?“ Und Ziemann stimmte zu, und so entstand der bemalte Kohlebrocken, der 36 Jahre später beim Kohlehändler Arnd Teiche, Inhaber des Brennstoffhandels Helmut Braun in der Greifswalder Straße 80A, im Regal steht. Als Zeichen einer vergangenen Zeit, zusammen mit gut 20 weiteren Briketts, etwa vom Tag der offenen Tür in der Brikettfabrik Ville Berrenrath 1982 oder von der Fußball-WM 1974 – diese Altersklasse eben.

Jetzt ist Energiewende - wer braucht da noch Kohlenhändler?

So war die Kohlezeit, dann kamen Öl und Gas und Atom, und jetzt ist Energiewende, wer braucht da noch die vier Männer, die hier sitzen? Zwei Träger, Vater und Sohn. Vier Pakete Kohlen zu je 25 Kilogramm packt sich der Sohn auf die Schultern, das ist oberer Durchschnitt. „Ganz gut, dass der hier arbeitet, dann hab’ ich ihn im Auge“, sagt sein Vater. Daneben sitzt Hilfsarbeiter Maik, daneben Arnd Teiche, Chef, Firmeninhaber.

An einem Werktag in der Greifswalder Straße, kurz nach sieben Uhr, schön mit Kaffee und Kippe alle an einem Tisch, hopphopp die Bude vollgequalmt, blaudunstige, schnittfeste Luft. Ein vielleicht 15 Quadratmeter großer Verschlag, tätowierte Unterarme, Hertha im Aufwind, soweit alles klar. Irritierender Blickfang sind Vater und Sohns durchsichtige Kulturbeutel auf dem Tisch, darin die Handys, Feuerzeuge, Kippen, natürlich HB. Soll ja nicht alles dreckig werden, sagt der Sohn, und das ist durchaus beachtlich bei einem jungen Mann, dessen Hemd ein schwarzer Lappen ist, eine Art Kohlenstaubpanzer, versetzt mit ein paar Baumwollfasern.

In Berlin gibt es nur noch 30 000 Kohleöfen

Also, wie ist es denn als Kohlenträger in einer Zeit, in der in ganz Berlin nur noch rund 30 000 Kohleöfen stehen – so wurde es jedenfalls 2010 amtlich festgestellt. Gar nicht mal so anders als früher, sagt Teiche, 50 Jahre alt. Natürlich, die Wege sind weiter geworden, das Liefergebiet hat sich vergrößert, „aber die Arbeit ist doch dieselbe geblieben.“ Man kommt gut rum, wo früher ein Kohlehändler ein paar Straßenzüge versorgte, bedient er jetzt die ganze Stadt. Bis nach Brandenburg fahren sie, tonnenweise Briketts auf der Ladefläche.

Der erste Halt aber ist in der Pappelallee, natürlich wurde längst alles geschrieben über Prenzlauer Berg und seine jungen, modernen Mütter, wie sie das Viertel okkupiert haben und mit ihren Kinderwagen die Straßen verstopfen. Und wer könnte besser klagen über den Wandel der Zeit als einer wie Teiche, der davon lebt, dass die Zeiten sich nicht ändern? Aber es ist ganz anders: Teiche klagt gar nicht. Sondern lässt den Lkw auf dem Bürgersteig ausrollen, steht dann da und klingelt.

Im Prenzlauer Berg sind Kohlenhändler Exoten

Und dann kommt die Mutter mit ihrem Kinderwagen, in der Hand eine Banane, ein Happen für den Kleinen, ein Happen für die Mutter. Teiche steht an der Klingel und wartet, dass die Tür aufgeht, die Mutter quetscht ihren Wagen an Teiches Wagen vorbei und dann sieht sie ihn, den Mann mit dem schwarzen MickyMaus-T-Shirt, die langen Haare und der Vollbart, und für einen Moment vergisst sie zu kauen, und das sieht nie so gut aus. Erst recht nicht, wenn der Mund voller Banane ist. Teiche und sein Hilfsarbeiter Maik, der heute für einen fußkranken Kollegen einspringt – sie sind hier Exoten. Es gibt Situationen, in denen Schwarzgekleidete zum Farbtupfer werden. Als Dreckspatzen in einem Viertel der selbst erklärten Paradiesvögel.

Im Hinterhof geht es in den Keller, eine junge Frau, Studiengang pädagogische Ökolandwirtschaft, öffnet. Eine halbe Tonne für sie, eine halbe für den Nachbarn. Für knapp 300 Euro heizen sie einen Winter. Maik lädt ab, verfrachtet die Kohlen auf eine Sackkarre, rollt sie in den Hinterhof. Dort übernimmt Teiche, schleppt sie in den Keller. Der Ton ist rau, die Ansagen sind kurz. Alte Berliner Schule: „Finger weg, noch ist das mein Sack“, begrüßt Teiche den jetzt auf den Hinterhof geradelten Nachbarn, als der nach dem Beutel Anfeuerholz greifen will.

Kamine bringen neue Kundschaft

Mit dem Schwinden der Kohleöfen kommt der Aufstieg der Kamine. In luxussanierten Stadtwohnungen einerseits. Aber vor allem bei den neu errichteten Einfamilienhäusern am Stadtrand. „Da ist ein Kamin fast schon Standard, und irgendwoher brauchen die dann auch Feuerholz“, sagt Teiche. Deshalb hackt Maik mitunter tagelang Holz auf dem Hof.

Knapp 2500 Kohleöfen verschwinden jährlich, werden ersetzt durch Fernwärme, moderne Heizungen. Man könnte ausrechnen, wann Schluss ist mit Kohlenschleppen. Aber so funktioniert es nicht. Man müsse auch sehen, wer vor ihm pleite- oder in Rente geht, die Branche wechselt, sagt Teiche. Und trotz der Konkurrenz durch die Baumärkte: Teiche gewinnt neue Kunden, das Jahr läuft gut, mehr Umsatz hat er noch nie gemacht.

Einmal quer durch die Stadt, am Rand des Britzer Gartens in einer Schrebergartensiedlung. Die Frau kauft zwei Tonnen, dann geht es zurück Richtung Prenzlauer Berg. Nun bricht doch mal Hektik aus, ein einziges Mal an diesem Tag, denn Teiche ist in Eile: duschen. Er ist alleinerziehend, heute ist Elternsprechstunde. „Und so“, sagt Teiche, schwarze Hände, schwarze Arme, verschwitzt, „kann ich da wohl kaum aufschlagen.“

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