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Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos).

© ddp

Kommunalisierung des Stromnetzes: Koalition unter Strom

Die SPD und die CDU sind uneins über die Kommunalisierung des Stromnetzes. Soll die öffentliche Hand am Berliner Stromnetz beteiligt sein? Jetzt hat der Finanzsenator einen Zeitplan aufgestellt - und der setzt die Parteien ziemlich unter Druck.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Zeit drängt: Noch im August will der Senat den Entwurf für neue Strom- und Gaskonzessionsverträge beschließen und dem Parlament zur Beratung vorlegen – verbunden mit ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Kriterien fürs Vergabeverfahren, das im Oktober beginnen soll.

Doch SPD und CDU sind sich überhaupt nicht einig, ob sich die öffentliche Hand am Berliner Stromnetz beteiligen soll. Am Gasnetz sind beide Parteien nicht interessiert. Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh fordert aber eine Kommunalisierung des Stromvertriebs „zu 100 Prozent“ und geht davon aus, „dass sich die CDU bewegen wird“.

Die Christdemokraten sehen bisher aber keinen Grund, warum die Konzession für den Stromvertrieb, die Ende 2014 ausläuft, nicht weiter privat betrieben werden sollte. Am besten wie bisher von Vattenfall. Außerdem haben sich die Thüga AG, die Alliander AG, Envia Mitteldeutsche Energie, Stadtwerke SchwäbischHall und State Grid International beworben.

Der von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) festgelegte Zeitplan setzt die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus unter Druck. Deren Arbeitsgruppe „Daseinsvorsorge“ will sich nicht noch einmal vor vollendete Tatsachen stellen lassen wie bei der Teilausschreibung des S-Bahnrings durch den Senat. „Vor den Herbstferien wollen wir einen Vorschlag für die Konzessionsvergabe vorlegen“, sagte der Vorsitzende der AG, Daniel Buchholz, dem Tagesspiegel.

Die Komplettübernahme des Stromnetzes wäre den Sozialdemokraten zwar am liebsten, doch eine öffentlich-private Partnerschaft mit kommerziellen Betreibern ist nicht vom Tisch. Solche Kooperationsmodelle müssten in der Ausschreibung des Netzes rechtssicher offengehalten werden. Buchholz warnt vor den Fallstricken des Vergaberechts. „Klagerisiken sollten wir von vornherein ausschließen.“ Außerdem muss der Senat bei einer Beteiligung des Landes viel Geld in die Hand nehmen, um dem privaten Eigentümer Vattenfall das Stromnetz abzukaufen. Selbst eine 25-prozentige Beteiligung wie in Hamburg dürfte schon eine dreistellige Millionensumme kosten, die aus den Erlösen des Stromvertriebs refinanziert werden müsste.

Aber vorerst hat die SPD die Rechnung ohne den Koalitionspartner CDU gemacht. Bei einer vertraulichen Koalitionsrunde am Freitag gingen beide Seiten ergebnislos auseinander. Weitere Expertentreffen sollen folgen.

Eines müssen aber auch die Christdemokraten in Rechnung stellen: das Volksbegehren des „Berliner Energietischs“, mit dem ein Gesetz „für die demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung“ notfalls auch gegen Rot-Schwarz durchgesetzt werden könnte. In diesem Fall müsste der Senat kommunale Stadtwerke und eine landeseigene Netzgesellschaft gründen. Zwar hat der Senat am vergangenen Dienstag dem Abgeordnetenhaus empfohlen, diese Initiative abzulehnen, aber der SPD-Fraktionschef Saleh signalisierte anschließend die „große Sympathie der SPD“ für das Anliegen des Energietischs. Der koalitionsinterne Streit ums Stromnetz geht damit in die nächste Runde.

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