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Hallo Nachbar. Ministerpräsident Dietmar Woidke (rechts) und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller auf einem Archivbild aus besseren Tagen.

© Rainer Jensen/dpa

Konflikt zwischen Berlin und Brandenburg: "Susi Sorglos" und "Latte Macchiato": Das Klima wird rauer

Erstaunliche Vorgänge, Spott über „Susi Sorglos“, gegenseitige Vorwürfe – das Klima zwischen Berlin und Brandenburg ist abgekühlt, bis hin zum offenen Streit.

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Die Stimmung ist frostig, dem Wetter angepasst. Zwischen den Nachbarländern Berlin und Brandenburg ist zwar kein offener Streit ausgebrochen, aber man frotzelt sich heftig an. Erst wegen der Braunkohle in der Lausitz, dann wegen der Flüchtlingspolitik. So lehnte es der brandenburgische Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) jetzt ab, den Berlinern bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu helfen. Das sei ausgeschlossen. „Es kann nicht sein, dass Susi Sorglos auf dem Tempelhofer Feld Drachen steigen lässt – und wir sollen für die Berliner die Quote übernehmen“, sagte er in der Bild-Zeitung.

Im Roten Rathaus nahm man dies überrascht zur Kenntnis. „Wir sind irritiert, offenbar ist Herr Schröter über die aktuellen Absprachen zwischen dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller und dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke nicht informiert“, sagte Senatssprecherin Daniela Augenstein dem Tagesspiegel. Es gebe in der Flüchtlingsfrage, einen regen Austausch zwischen beiden Länderchefs. So sei die Unterbringung von Flüchtlingen in den Messehallen in Selchow nach der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) im Mai inzwischen „beschlossene Sache“.

Der CDU-Generalsekretär: „unkooperativ, unverständlich und unverantwortlich“

Der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner verzichtete ganz auf diplomatische Schnörkel. Schröters Haltung sei „unkooperativ, unverständlich und unverantwortlich“, sagte er am Mittwoch. Es sei nicht akzeptabel, dass das von Rot-Rot regierte Bundesland gern vom gemeinsamen Wirtschaftsraum profitiere, „aber wenn es darauf ankommt, seine Unterstützung verweigert“. Brandenburg habe noch Kapazitäten für die Flüchtlingsunterbringung. Dagegen bemühte sich der Berliner SPD-Chef Jan Stöß, die Wogen zu glätten. „Von einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Brandenburg kann Berlin nur profitieren“, sagte er. Der Reflex mancher Politiker, sich „aneinander abzuarbeiten“, sei bedauerlich. Damit meinte Stöß aber vor allem den Berliner CDU-Spitzenmann Wegner.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sah am Mittwoch trotz der Berliner Aufregung keinen Grund, seinen Innenminister zurückzupfeifen. Er legte sogar noch eine Kohle drauf. „Brandenburg ist immer bereit, Solidarität zu üben, auch und gerade mit Berlin“, sagte Woidke dem Tagesspiegel. „Allerdings erwarten wir, dass Berlin seine Hausaufgaben macht.“ Er wies darauf hin, dass Brandenburg - das Land hat 2015 rund 35 000 Flüchtlinge aufgenommen - an Grenzen stoße. „Wir sind selbst an der Kante. Wir können nicht einfach sagen: Wir übernehmen jetzt tausende Flüchtlinge aus Berlin.“

Woidke: „Ich weiß nicht, was Berlin gemacht hat“

Woidke erneuerte zugleich die Bereitschaft Brandenburgs, eine Nutzung der Messehallen in Selchow durch Berlin für die Unterbringung von Berliner Flüchtlingen zu prüfen. „Allerdings müsste Berlin das komplett mit eigenen Kapazitäten machen, von der Verpflegung über die medizinische Versorgung bis zur Polizei.“ Brandenburg selbst habe seine Kapazitäten der Erstaufnahme von Flüchtlingen in den vergangenen Monaten zielgerichtet ausgebaut, auf jetzt 10 000 Plätze. „Ich weiß nicht, was Berlin gemacht hat.“

Nicht genug – dieser Eindruck hat sich in den letzten Wochen in Brandenburgs Regierung verfestigt. Um so größer ist der Unmut, dass aus Berlin die Rufe nach Brandenburger Kapazitäten immer lauter werden, die Hauptstadt selbst aber das Chaos am Lageso nicht in den Griff bekommt. Dies hatte Innenminister Schröter schon vor Wochen im RBB-Fernsehen kritisiert, worauf sich Müller prompt bei Woidke beschwerte.

Weiteren Unmut in Brandenburg löste jüngst die Teilnahme der Berliner CDU-Staatssekretärin Sabine Töpfer-Kataw an Anti-Braunkohle-Protesten in der Lausitz aus, was im rot-roten Kabinett als „unfreundlicher Akt“ gewertet wurde. Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) hatte dies so kommentiert: „Auch für Berliner Staatssekretärinnen gilt die Freiheit, für industrie- und energiepolitischen Unfug zu demonstrieren. Aber Frau Toepfer-Kataw muss wissen, dass ohne Lausitzer Braunkohlestrom der Latte macchiato in Berlin kalt bleibt.“

Woidke unterstützte dies mit einer weiteren spöttischen Bemerkung: „Wir werden keine Demonstration am Lageso anmelden.“ Seine Berliner Genossen sind sich übrigens nicht ganz einig, wie die Aktion der CDU-Politikerin Töpfer-Kataw zu bewerten ist. „Die Staatssekretärin hat in der Lausitz keine falsche Position vertreten“, sagte Senatssprecherin Augenstein. Dagegen sprach SPD-Landeschef Stöß von einem „sehr erstaunlichen“ Vorgang. In jedem Fall wird allmählich deutlich, dass die Länderchefs Müller und Woidke, im Gegensatz zu ihren Vorgängern Klaus Wowereit und Matthias Platzeck, auch den offenen Konflikt zwischen beiden Regierungen nicht scheuen.

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