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Berlin: Kontrolleure außer Kontrolle

Beim Steuerzahlerbund brodelt es, es geht um Misswirtschaft und Manipulation Am Mittwoch entscheiden die Mitglieder über die Zukunft des Vereins

Nach außen hin geht es um edle Ziele. Selbstlos und gemeinnützig will man sein, gegen Steuerverschwendung und für die Interessen der Bürger kämpfen. So stellt sich der Bund der Steuerzahler Berlin öffentlich dar. Nach Ansicht einer wachsenden Zahl von Mitgliedern und ehemaligen Mitarbeitern jedoch läuft in dem Verein, der sich als regionaler Ableger des bundesweiten Steuerzahlerbundes versteht, seit Jahren einiges schief.

Das Bild, das die Kritiker von dem Verein zeichnen, steht den edlen Motiven diametral entgegen: Der Vorstandsvorsitzende Günter B. J. Brinker, der gerne Politik und Verwaltung für unangemessene Ausgaben kritisiert, soll überhöhte Bezüge kassieren und nicht korrekt abrechnen, lautet einer der Vorwürfe. Kritiker würden mundtot gemacht, lautet ein anderer. Sie würden zu den Wahlen des Verwaltungsrates, der den Vorstand kontrolliert, nicht zugelassen. Stattdessen würden Personen, die von Mitgliedern der Vereinsführung abhängig sind, als „Stimmvieh“ geholt, um für entsprechende Mehrheitsverhältnisse zu sorgen.

Seit Jahresbeginn ermittelt auch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Veruntreuung von Vereinsvermögen gegen Diplomkaufmann Brinker sowie seinen langjährigen Geschäftspartner Kurt Fischer-Weiherig, der beim Steuerzahlerbund im Verwaltungsrat saß. Fischer-Weiherig lässt inzwischen sein Amt ruhen, sowohl er als auch Brinker weisen aber alle Vorwürfe zurück. Die Mehrheit der rund 12 000 Mitglieder habe bisher keine Unzufriedenheit geäußert, sagt Brinker. Wer mit seiner Amtsführung unzufrieden sei, der könne ja aus dem Verein austreten. Was die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft angeht, zeigt sich Brinker keiner Schuld bewusst und weist darauf hin, dass bis zu einer Verurteilung die Unschuldsvermutung gelte.

Der vorläufige Höhepunkt der Auseinandersetzung dürfte am Mittwoch stattfinden. Da steht die Mitgliederversammlung des Vereins an. Dort wollen die Kritiker den Verwaltungsrat vorzeitig abberufen, einen neuen Verwaltungsrat wählen lassen und einen „demokratischen Neuanfang“ einläuten, wie es Tommy Erbe nennt, einer der Sprecher der Gruppe. Erbe ist Unternehmer und durch Werbeaktionen wie die Lange Nacht des Shoppings bekannt geworden, andere Kritiker sind Wirtschaftsprüfer, Rechtspfleger oder Marketingexperten, auch die Gründerin der Hilfseinrichtung Berliner Tafel, Sabine Werth, gehört dazu.

Vorstand und Kritiker bekriegen sich seit Wochen auf ihren Internetseiten mit Vorwürfen, die oft ins Persönliche gehen. „Wir sind ein ziemlich freier Haufen“, sagt Vereinskritiker Erbe mit Bezug auf verbale Querschläger, die sich auch auf den Seiten seiner Mitstreiter finden. Den Vorwurf von Vorstand Brinker, die Kritiker wollten nur an das Vereinsvermögen und sich an den Pfründen bedienen, weist Erbe jedoch weit von sich. „Uns geht es darum, dass der Verein endlich wieder seine eigentlichen Ziele verfolgt – und das mit transparenten, demokratischen Mitteln.“

Die Vorwürfe der Kritiker sind gut begründet, aber Brinker tritt fast allen mit Vehemenz entgegen. So berichten ehemalige Mitarbeiter, dass der Vorstandsvorsitzende ein Gehalt von 4400 Euro kassierte und dafür rund zehn Stunden monatlich arbeitete – also einen Bruttostundenlohn von mehr als 440 Euro für seine Tätigkeit kassierte. Brinker hingegen teilt mit, sein Einsatz für den Bund der Steuerzahler betrage etwa 130 Stunden im Monat und kommt auf einen Netto-Stundenlohn von 17 Euro. Auch die von Mitarbeitern verbürgte Aussage, Brinker habe für sein Monatshonorar Sozialabgaben nicht abgeführt, weist der Vorstandschef zurück und verweist auf entsprechende amtliche Prüfungen.

Beim Vorwurf der unzulässigen Beeinflussung von Verwaltungsratswahlen steht ebenfalls Aussage gegen Aussage. Frühere Mitarbeiter versichern, es seien vor der letzten Wahl des Aufsichtsgremiums im Herbst 2004 zahlreiche neue Mitglieder nicht aufgenommen worden, die der Vorstand nicht kannte, um sicherzustellen, dass es bei der Wahl keine Überraschungen gebe. Ein früherer Untergebener eines Verwaltungsratsmitglieds erklärt, er sei von seinem Vorgesetzten aufgefordert worden, in den Bund der Steuerzahler einzutreten und dem bisherigen Verwaltungsrat seine Stimme zu geben; den Mitgliedsbeitrag würde sein Chef zahlen. Brinker weist die Kritik zurück. Niemand habe Einfluss auf die Mitgliederzulassung genommen.

Weitere Vorwürfe beziehen sich auf den Umgang mit Mitgliedsbeiträgen, bei 40 Euro jährlich und 12 000 Mitgliedern knapp eine halbe Million Euro pro Jahr. Statt das Geld, wie bei gemeinnützigen Vereinen vorgeschrieben, zeitnah für Vereinszwecke wie Beratung und Aufklärung auszugeben, habe Brinker Rücklagen von 1,1 Millionen angesammelt und so die Gemeinnützigkeit des Vereins gefährdet, kritisieren seine Gegner. Der Vorstandsvorsitzende begründet die Rücklage damit, dass seit Jahren der Erwerb einer Immobilie als Vereinssitz vorgesehen gewesen sei. Kürzlich habe man mit 600 000 Euro das Haus in der Lepsiusstraße 110 in Steglitz gekauft, in dem man bislang Mieter war. Keine Auskunft gibt Brinker zu einer Rücklage für Kommunikationstechnik, die im Jahr 2004 fast 400 000 Euro betrug.

Klarheit in die Angelegenheit wird neben der Staatsanwaltschaft vielleicht auch die neue Vereinsführung bringen –, wenn es denn zu einer Neuwahl kommen sollte. Bislang steht nur fest: Brinker wird seinen Posten wohl von sich aus räumen. Schon vor Wochen hatte er angekündigt, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Er habe die Nase voll von den dauernden Auseinandersetzungen und wolle seine Ruhe. Am Mittwoch soll Brinkers Nachfolger bekannt gegeben werden. Seine Kritiker glauben, dass der Vereinschef mit dem Rückzug nur von der Kritik ablenken will, und befürchten, dass der Neuanfang mit „Taschenspielertricks“ verhindert wird.

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