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Beck

© Promo

Konzert: Ewiger Verlierer

Der Sänger Beck hat so ziemlich jeden Stil bedient. Am Freitag tritt er in der Berliner Columbiahalle auf.

So einen Großvater hätte wohl jeder gern. Als junger GI fand Al Hansen in einem ausgebombten Wohnhaus in Frankfurt am Main ein herrenloses Klavier und schubste es aus dem Fenster. Es zerschellte auf der Straße. Der spätere Protagonist der Fluxus-Kunst hatte die Instrumentenzerstörung erfunden. Jimi Hendrix hat ihn nur kopiert.

Der Vater war gefragter Dirigent, die Mutter wirkte in Andy Warhols Pop Factory mit – was sollte da aus dem jungen Beck anderes werden als Künstler. Mit 14 schmiss er die Schule und nahm seine Ausbildung selbst in die Hand, mit Blues-, Folk- und Countryplatten vom Flohmarkt. Wenn er nicht mit seinem Opa malte, zog er mit der Gitarre durch die Clubs von New York und Los Angeles und wartete auf den Erfolg. Der kam 1994 ausgerechnet mit einem Titel namens „Loser“. Dass der Song zur Hymne der Slacker-Bewegung wurde, deren Rebellion im ziellosen Herumhängen bestand, fand Beck selbst gar nicht so passend. „Ich war nie ein Slacker“, hat er mal gesagt. „Keine Zeit. Ich musste arbeiten. Geschirr spülen, Toiletten putzen.“

Der Sänger, der am Freitag in der Columbiahalle spielt, nudelt seinen ersten Hit auf Konzerten inzwischen runter, als wäre er nicht von ihm. Selbstironie und eine gesunde Distanz zum eigenen Tun haben den jungenhaften Dandy mit den blauen Augen von Anfang an ausgezeichnet. Das Vokabular der Popmusik schien Anfang der Neunziger ausbuchstabiert, und Beck erklärte mit seinem Stilmix aus Folk, Funk, Hiphop und Schweinerock die Musikgeschichte zum Spielplatz, auf dem man sich frei bedienen konnte – eine Haltung, die auch heute noch die spannendsten musikalischen Neuerscheinungen hervorbringt. Am Revival billiger Computer-Sounds, wie sie etwa Hot Chip und LCD Soundsystem mit Hingabe pflegen, hat auch Beck mit seinem 2006er Album „The Information“ mitgewirkt – nachdem er sich auf „Midnight Vultures“ pompös gab wie Prince und mit „Sea Change“ ein zerbrechliches Weltschmerzalbum einspielte. Das ist Beck eben auch: ein großer Balladenschreiber, dem Johnny Cash mehr als einmal seine Stimme geliehen hat. Bei dem spielerischen Umgang mit dem eigenen Talent verwundert der Ernst, mit dem Beck sich zu Scientology bekennt.

Nächste Woche erscheint Becks neues Album „Modern Guilt“, das wieder recht rockig klingen wird. Einige Songs werden am Freitag zu hören sein. Ansonsten darf man gespannt sein, was der Kalifornier für das Konzert plant. Vor drei Jahren ließ sich die Band auch mal auf der Bühne zum Abendessen nieder, während der Sänger mit der Gitarre einige Coversongs zum besten gab. Da machte sich mal wieder der Einfluss des Fluxus-Opas bemerkbar. Es muss ja nicht immer gleich ein fliegendes Klavier sein. Kolja Reichert

Das Konzert beginnt um 20 Uhr. Es gibt noch letzte Karten im Vorverkauf.

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